Der rote Planet

Vor langer, langer Zeit gab es ein Mädchen, das es liebte, die Sterne zu beobachten. Schon zum sechsten Geburtstag hatte sie von ihrer Mama ein richtiges Teleskop geschenkt bekommen. Von da an standen die beiden zu jeder Gelegenheit auf Feldwegen und an Waldrändern, eben da, wo es am dunkelsten ist, und betrachteten gemeinsam die Sterne am Himmel.

 „Wie heißt dieser Stern?“, fragte das kleine Mädchen, und: „Warum leuchtet jener da so besonders hell?“ Mama erklärte ihr alles geduldig, und auch wenn sie ihr gerne mal die gleiche Frage mehrmals stellte, wurde die Mama niemals müde, ihrer Tochter vom Weltall zu erzählen.

„Warum leuchtet dieser Stern dort so rötlich?“, fragte das Mädchen eines späten Abends, als die beiden nach dem Abendessen noch einmal losgezogen waren, um mit dem Teleskop in die sternenklare Nacht zu schauen.

Natürlich hörte Mama auch diese Frage nicht zum ersten Mal, aber wenn ihre kleine Allerliebste die Wissenschaft fast eben so sehr liebte wie die Mama, dann erzählte sie ihr eben gerne ein weiteres Mal davon.

„Du weißt doch, es ist kein Stern…“ fing Mama liebevoll an.

„…sondern ein Planet!“ rief die Kleine voller Freude aus.

Mama lächelte. „Stimmt, Du weißt es doch schon längst. Erzähl doch Du mir alles, was Du über den roten Planeten weißt.“

Diesen Vorschlag fand das kleine Mädchen großartig. „Er ist so rot, weil er eine eisenhaltige Atmosphäre hat, stimmt´s? Und es gibt gar kein Leben auf ihm, es könnte aber sein, dass das vor langer Zeit noch anders war. Man hat nämlich Hinweise darauf gefunden, dass es auf ihm einmal flüssiges Wasser gegeben haben könnte.“ Mama hatte aufmerksam zugehört und freute sich, so eine kluge und wissbegierige Tochter zu haben.

Natürlich studierte unser kleines Mädchen später an einer Universität – natürlich Astronomie. Die Jahre vergingen, der technische Fortschritt kam in riesigen Schritten, und damit leider auch ein unvorstellbares Maß an Ressourcen-Verbrauch und Umweltzerstörung.

Es wurden Massen an Autos gebaut, Flugzeuge, Ölbohrplattformen, Fabriken, Züge, Autobahnen, Öltanker, Computer, Datenspeicher, und wer weiß, was noch alles. All das verbrauchte unglaubliche Mengen an Rohstoffen, aber da das alles das Leben so leicht und schön und machte, und viel Geld damit verdient wurde, dachte kaum jemand darüber nach.

Die ersten, denen bewusst wurde, dass die Welt auf einen Abgrund zuraste, waren die Wissenschaftler. Aber niemand aus Politik und Wirtschaft hörte ihnen zu. Später kamen dann die jungen Leute dazu, aber auch deren Hilferufe verhallten.

Die Jahre und Jahrzehnte vergingen, es wurden Jahrhunderte und Jahrtausende daraus. Unsere Protagonistin war schon lange, lange tot (sie hatte trotz Umweltzerstörung und wachsender globaler Konflikte noch ein schönes langes Leben gehabt), und es war genau das passiert, was die Wissenschaft vor langer, langer Zeit vorausgesagt hatte. Die Ausmaße der Zerstörung waren irreparabel geworden, und der Planet wurde unbewohnbar für jede Art von Leben. Alles, was übrigblieb von einer ehemals blühenden Welt waren Unmengen an Autos, Bohrtürme in den Meeren, Öltanker, Flugzeuge, Fabriken, und wer weiß, was noch alles.

Mit der Zeit fingen die ganzen Sachen an, zu rosten, sich zu zersetzen, zu Staub zu verfallen. Je mehr Zeit verging, desto mehr Staub wurde zu eisenhaltigem Gas, das die Atmosphäre langsam rötlich einfärbte. So trieb der rote, tote Planet unendliche Zeiten durch das unendliche Universum.

„Warum ist der Planet dort so rot?“ fragte der Junge seinen Vater, als sie eines späten Abends gemeinsam den Sternenhimmel bestaunten. „Das ist der Mars,“ erklärte der Vater, „der hat einfach nur eine sehr eisenhaltige Atmosphäre, deshalb erscheint er ein bisschen rötlich für uns hier auf der Erde.“

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