Kennt Ihr den Schäfflertanz?
Wikipedia verrät, dass es sich beim Schäfflertanz um einen „Zunfttanz der Schäffler (Fasshersteller)“ handelt, die zu Musik festgelegte Figuren tanzen.
Ich komme aus Sallach, das gehört zur Gemeinde Geiselhöring mitten im tiefen Niederbayern. In Geiselhöring wird der Schäfflertanz traditionell zur Faschingszeit alle sieben Jahre aufgeführt. Es gibt allerlei Voraussetzungen, die es benötigt, um beim Tanz mitmachen zu dürfen.
Zuerst muss man mal männlich sein. Das ist zwar ein bisschen schade für alle jungen Frauen, die gerne dabei sein würden, aber es ist nun mal Tradition. Zumindest bisher. Wer weiß, was die Zukunft dem Schäfflertanz an weiblichen Einflüssen bringen wird. Ministranten durften auch lange Zeit nur Jungs sein. Mittlerweile sind Ministrantinnen eine absolute Normalität, sogar im konservativen Niederbayern.
Dann muss Mann unter 30 Jahre alt sein, unverheiratet, und man darf keinen Bart haben. Schlechte Zeiten für Hippster-Bärte also im Schäfflerjahr.
Und so üben die jungen Männer immer in den Jahren zwischen den Aufführungen die komplizierten Figuren und den typischen flotten, hüpfenden Tanzschritt, bis dann, im lang erwarteten Siebten Jahr, endlich wieder ein Tanz stattfindet. Wobei „ein Tanz“ sich nicht auf eine einzige Tanzaufführung bezieht, sondern gleich auf einige Tage am Stück, wo die Schäfflertanzgruppe nichts anderes macht, als sich von einem Auftritt zum nächsten zu tanzen. Ganz faschingsüblich auch mit den entsprechenden hochprozentigen Getränken.
Für alle in meiner niederbayerischen Heimat ist das jedes Mal ein großes, lustiges Spektakel. Ich fahre auch immer nach Geiselhöring, wenn die Schäffler tanzen. Immerhin findet er ja nur alle sieben Jahre statt. Da bekommt man in einem kurzen Menschenleben ohnehin nicht so oft die Chance, sie zu sehen. Und wer will schon 14 Jahre warten bis zur nächsten Aufführung?
Um den Schäfflertanz herum rankt sich eine wunderschöne Entstehungsgeschichte:
Angeblich soll irgendwann im 16. Jahrhundert die Pest in München gewütet haben. Das öffentliche Leben, erzählt man sich, soll brach gelegen haben, die Menschen trauten sich jahrelang kaum noch aus ihren Häusern. Eine düstere, gedrückte Stimmung soll in ganz München geherrscht haben.
Doch selbst die dunkelste Nacht wird irgendwann heller, selbst die schlimmsten Zeiten gehen irgendwann vorbei, und so verschwand auch die Pest langsam wieder aus der Stadt. Allerdings waren die Menschen noch sehr vorsichtig, und das Leben kehrte nur sehr zögerlich in die Straßen zurück.
Um den Menschen Mut zu machen, verließen schließlich die Fass-Macher, die Schäffler, als erste ihre Häuser und Werkstätten. Sie begannen auf der Straße Musik zu machen und zu tanzen. Sie wollten ihren Mitmenschen zeigen, dass sie keine Angst mehr zu haben brauchen, dass die Pest endgültig vorüber war. Anscheinend hatte ihre Idee Wirkung, denn man berichtet sich, dass den Schäfflern nach und nach alle anderen Münchner folgten, und bald darauf waren die Märkte und Plätze wieder voller Menschen, es wurde wieder Handel getrieben, und das Leben konnte endlich wieder seinen gewohnten Gang gehen.
Ob sich die Geschichte nun wirklich so zugetragen hat oder nicht, sei dahingestellt.
Wie bei jeder schönen Geschichte geht es um die Aussage. Zum einen kann sie uns lehren, auch in dunklen Zeiten den Mut nicht zu verlieren, weil irgendwann auch wieder bessere Zeiten kommen.
Und zum anderen lässt sich noch eine weitere Erkenntnis daraus ziehen, die vielleicht auch ganz gut zu unserer aktuellen Weltlage passt: das Gute, das Schöne, das Lebendige, wird am Ende immer überdauern. Die Pest war eine schreckliche Zeit, geprägt von Angst und Schrecken. Aber die Menschen haben sie ganz offensichtlich heil überstanden.
Und was ist das Einzige, was dieser Legende nach aus dieser fürchterlichen Zeit bis heute überlebt hat?
Eine wunderbare Tradition, der Schäfflertanz, der den Menschen in Geiselhöring (und in allen anderen Städten und Gemeinden, in denen es eine Schäfflergruppe gibt) alle sieben Jahre ein ganz besonderes Faschingserlebnis bietet!
(Gut, dass diese Corona-Zeit mitten im Sieben-Jahre-Zyklus ist. Das letzte Mal war er 2019 – bis 2026, wenn er das nächste Mal stattfindet, ist Corona schon längst Geschichte. Wer weiß, vielleicht bleibt ja aus dieser jetzigen Zeit auch was Gutes übrig? Das erste, an das ich jetzt spontan denken muss, ist der Jerusalema-Tanz.)