Wie man mit Niederlagen umgeht

Vor ein paar Wochen hab ich eine schlimme Niederlage erlebt. Ich sollte in einem Meeting ein Projekt vorstellen, aber irgendwie lief das alles überhaupt nicht so ab, wie ich mir das vorgestellt hatte.

Es war schrecklich.

Ich hab mich gefühlt wie ein Schulkind vor einer strengen Lehrkraft, dem erklärt wird, dass es ALLES, ja wirklich ALLES falsch hat im Test. Dabei hab ich mir doch solche Mühe gegeben!

Ich hatte ein Handout vorbereitet, das dann am Ende kaum Beachtung gefunden hat, und ganz bestimmt hinterher einfach ins Altpapier gewandert ist. Und ich hatte in den Monaten zuvor gearbeitet wie eine Verrückte. Stundenlang, oft ohne Bezahlung, einfach nur, weil ich für dieses Projekt das Beste rausholen wollte – und dann das.

Die vielen Stunden vor dem Computer, mein ganzes Engagement für dieses Projekt, in das ich wirklich mein Herzblut gesteckt hatte – statt eines Dankeschön wurde mir erklärt, ich hätte alles falsch verstanden, und so, wie ich mir das vorstelle, geht das alles überhaupt nicht. Und anders auch nicht, weil das haben wir ja noch nie so gemacht. Jawoll!

Habe ich schon gesagt, dass es schrecklich war?

Hinterher haben mir dann die Leute, die ich mag, und mit denen ich zusammengearbeitet hatte, zwar gesagt, dass meine Arbeit wichtig und wertvoll ist, aber in dieser Versammlung stand ich ganz alleine, und bekam alles ab, was dieser alte weiße Mann mir da an den Kopf warf. Der große Raum wurde plötzlich eng und heiß, und ich war nur noch in einer Verteidigungsposition, und fragte mich ständig, wie ich in diese furchtbare Situation nur hineingeraten war.

Ich habe einige Tage gebraucht, um mich von diesem Schock zu erholen.

Sind ein paar Tage viel oder wenig? Ich weiß es nicht. Das Entscheidende daran ist aber, ich bin drüber weg. Und es hat keine Narben hinterlassen. Nicht die kleinste. Es ist alles stabil verheilt.

Und weil die Verletzung so gut und ,wie ich finde, so schnell verheilt ist, und weil ich ja auch durch meine diversen Psycho-Ausbildungen gelernt hab, wie das geht, möchte ich dieses Wissen heute mit Dir teilen.

Also, wie geht man nun mit einer Niederlage um, und wie verarbeitet man sie möglichst so, dass nichts zurückbleibt?

Weil, wenn danach Unsicherheiten bleiben, und man mit dem Gedanken „oh oh, jetzt passiert gleich etwas Schlimmes“ in die nächste große Teamsitzung oder Partei-/Vereinsversammlung oder sonst eine Veranstaltung geht, kann man sich ziemlich sicher sein, dass die Besprechung wieder schief gehen wird. Die sich selbst erfüllende Prophezeiung lässt grüßen.

Wie kommst Du also am schnellsten und sichersten über schlechte Erfahrungen weg? Hier eine kurze nützliche Liste, wie Du das gut hinbekommen kannst:

1. Das passiert jedem Mal. Es ist nichts Außergewöhnliches an Scheitern und an Niederlagen.

2. Lass Deine Gefühle zu – sei wütend, traurig, hilflos. Kotz Dich aus. Das ist alles total ok!

3. Setz Dich nicht unter Druck – es braucht die Zeit, die es braucht zum Heilen.

4. Analysiere Deine eigenen Fehler – aber erst, wenn es nicht mehr so weh tut!

5. Ziehe dann Deine Schlüsse und korrigiere die Fehler. Aber mach Dir keine Vorwürfe und zerfleisch Dich nicht. Passiert ist passiert. Du verhinderst die Heilung, wenn Du jetzt noch ewig dran „rumfieselst“.

6. Vergiss niemals: Such nicht nur nach Deinen eigenen Fehlern, sondern schau Dir auch die anderen genau an.

Ein Zitat, das seit Jahren im Internet kursiert, und fälschlicherweise mal Sigmund Freud und mal dem Autor William Gibson zugeschrieben wird, heißt:

„Before you diagnose yourself with depression or low self-esteem, first make sure you are not, in fact, just surrounded by assholes.“

(Bevor Du Dir selber die Diagnose einer Depression oder niedrigem Selbstwert stellt, vergewissere Dich zuvor ganz genau, ob Du nicht in Wirklichkeit von Arschlöchern umgeben bist.)

Sei Dir sicher, Du bist weder besser, noch schlechter als die anderen Menschen auf dieser Welt. Beschimpf Dich nicht, verurteile Dich nicht. Mach Dich nicht fertig. Geh mit Dir selbst um, wie mit Deinem besten Freund oder Deiner besten Freundin. Die anderen haben auch ihre Fehler. Und an Deiner Niederlage insofern den Anteil, dass sie weder wertschätzend, noch ermutigend, noch sonst irgendwie konstruktiv waren. Manchmal gerät man im Leben einfach mal an Idioten. Manchmal haben alle einfach einen schlechten Tag. Aber es ist definitiv nicht Deine Schuld, wenn Du blöd behandelt wirst – selbst wenn Du alle wie auch immer gearteten Anforderungen nicht erfüllt haben solltest!

Egal, wie schlecht jemand eine Aufgabe erledigt, ist das niemals ein Grund, auf demjenigen Rumzuhacken. Niemals.

7. Übe Dich in Vergebung.

Wie gesagt, vielleicht hatte der oder die andere auch einfach einen schlechten Tag. Selbst wenn sich jemand verhält wie ein Riesenarschloch, hält Dich nichts davon ab, ihm oder ihr zu vergeben. Vergebung ist ein sehr heilsamer Akt.

Das macht man auch nicht für das Gegenüber, sondern ausschließlich für sich selbst. Vergebung ist gut. Vergebung fühlt sich weit und frei und großzügig an. Überhaupt sollten wir uns jeden Tag in Vergebung üben. Vergebung ist definitiv das wirksamste Mittel auf dem Weg zu einem rundum glücklichen Leben, ganz unabhängig, ob wir grade gewonnen oder verloren haben. Die meisten schlimmen, scheinbar unlösbaren Probleme kommen nur davon, dass alle Fronten so verhärtet sind, sich alle immer die Schuld zuweisen, und keine der beteiligten Parteien auf die Idee kommt, dass man ja eigentlich selber den gleichen Anteil an der Misere hat.

Jaja, ich weiß – in DEINEM ganz speziellen Fall ist WIRKLICH NUR der oder die andere schuld!!! Wisst Ihr, wie oft ich den Satz bei mir in der Praxis höre? Mindestens ein Mal in der Woche. Es ist schon krass, wie viele Leute nicht bereit sind zu verzeihen. Dabei ist Groll, den man mit sich rumschleppt so schlecht für Körper und Psyche. Aber das ist den Leuten wurscht. Da gibt es schließlich nichts zu verzeihen. Der und die andere, oder gleich das ganze System ist einfach zu schrecklich, zu schlimm, zu gemein, unmenschlich, usw. Verzeihen? Ich? Dem Söder? Meiner Ex? Dem Bankberater, der mich um eine riesige Summe meines Ersparten gebracht hat? Niemals!

Naja. Ich denk mir ja immer, eine verzeihende Grundhaltung tut doch nicht weh. Wie gesagt, niemand ist fehlerfrei. Man kann ja zuerst mal sich selbst verzeihen, und dann den anderen. Aber das ist alles ein weites Feld. Jedenfalls würde es nicht schaden. Außer, es liegt, wie in Deinem Fall, eine spezielle Ausnahme vor. Dann kannst Du natürlich nichts für Deine Niederlage, und nur der oder die andere, oder gleich das ganze System ist schuld. Dann ist lebenslanger Groll natürlich berechtigt.


Ich persönlich mag Verzeihen. Es tut nicht weh, entspannt Körper und Geist, und in meiner Welt ist es eine Tatsache, dass niemand perfekt ist. Oder alle perfekt sind. Aber es gibt in punkto fehlerbehaftetem Dasein einfach keine Hierarchien.

Wenn Du diese Punkte alle durchgehst, vielleicht mit ein bisschen weinen und ein bisschen schreien, wenn Du hinterher eine verzeihende Grundhaltung einnehmen kannst, wenn Du Deine Fehler analysiert hast, Deine Konsequenzen draus gezogen, und auch ein bisschen auf Deinem Meer aus Selbstmitleid rumgerudert bist, gehst Du auf jeden Fall als stärkerer Mensch aus dieser Erfahrung raus.

Du wirst ein bisschen weiser sein, etwas dazugelernt haben, und vor allem wirst Du ein weiteres Mal erkennen, dass auch die blödesten Erfahrungen hinterher einen Wert haben.

Es passiert niemals etwas ohne Grund. Manche Menschen und Situationen sind Geschenke, andere Lektionen.

Alles, was in Deinem Leben geschieht, kann Deinem Wachstum dienen, wenn Du das zulässt. „In meinem Leben gibt es keine Steine, sondern Stufen“ rappt Moses Pelham in einem meiner Lieblingslieder.  

Sie jede Niederlage als Stufe – dann bringen sie Dich unweigerlich zu dem Menschen, der Du in Deinem Inneren WIRKLICH bist: Strahlend, schön, stark, mutig, freundlich. Eine Buddha-Natur. Ein göttlicher Funke. Ein liebendes Wesen, das irgendwann, im Alter von 120 Jahren mit einem lächeln auf den Lippen diesen Planeten verlassen wird. Wäre das nicht schön?

Und wenn es soweit ist, erinnere Dich: Dahin haben Dich die schwierigsten Hürden gebracht.

Dieser Beitrag hat einen Kommentar

  1. Angela Dremow

    Liebe Karin,
    das hast du ganz wundervoll beschrieben!
    Verzeihen geht manchmal schneller und manchmal braucht es etwas länger…
    Aber es tut definitiv gut!
    Ich bin so dankbar, dass ich für mich einen Weg gefunden habe mich selbst zu achten, zu lieben, mir und anderen zu verzeihen.
    Es kommt, was man selbst benötigt… Ich habe per „Zufall“ ein Werkzeug in die Hand gelegt bekommen, damit ich die Dinge so sehen kann, wie sie wirklich sind.
    Nein, es ist nicht immer leicht, aber das sagt ja auch keiner. Aber es ist so schön und tut so gut, wenn man loslässt.
    Danke für dein Dasein, danke das es dich gibt!
    Ich wünsche dir eine wunderbares Wochenende und einen guten Start in die neue Woche.
    Liebe Grüße Angela ????????

Schreibe einen Kommentar