Das Thema Düngeverordnung erhitzt die Gemüter. Es gibt Traktorendemos der Landwirte, erboste Umweltschützer, politische Endlosdiskussionen, die unterschiedlichsten Meinungen und Perspektiven zum Thema.
Einer, der sich besonders gut damit auskennt, ist Ludwig Sigl, Werkleiter des Wasserzweckverbandes Mallersdorf. Ich freue mich riesig, dass er Zeit und Lust auf ein Interview mit mir hatte, und das ist dabei rausgekommen:
Viel Spaß beim Lesen und jetzt Vorhang auf für den Wassermann beim Wasserwerk!
Ludwig Sigl, 44 Jahre jung, lebt schon immer in Laberweinting, einer kleinen Gemeinde mitten im niederbayerischen Labertal. Er ist geschätztes Mitglied bei der freiwilligen Feuerwehr, Fußballtrainer für die Kidsmannschaft im Ort, arbeitet seit dem Schulabschluss im Wasserzweckverband Mallersdorf. Er ist also ein echter „Hiesiger“, einer, der auf dem Land groß geworden ist. Was man ihm sicher niemals vorwerfen können wird, ist, dass er die Landwirte nicht versteht, oder „von oben herab“ irgendwas diktieren möchte.
Er hat beim Wasserzweckverband schon seine Ausbildung gemacht, und ist über die Jahre mit viel Engagement, Weiter- und Fortbildung, die Karriereleiter hochgeklettert bis er schließlich der Chef im Zweckverband geworden ist. Wasser, Wasserqualität und -versorgung sind ihm schon immer eine Herzensangelegenheit, nicht nur ein Job. Er ist also ein echter Experte, wenn es um alle Fragen rund ums Wasser geht. Lustigerweise ist er auch noch von Sternzeichen Wassermann. Manchmal haben die Sterne wohl doch recht!
Getroffen haben wir uns, wie es ja seit einiger Zeit üblich ist, am Telefon. Das Thema brennt ihm auf den Nägeln. Ludwig wünscht sich wirklich eine Verbesserung, eine Veränderung, und dass so viele Menschen wie möglich, und am liebsten auch so viele Landwirte wie möglich, sich konstruktiv mit dem Thema Wasserschutz auseinandersetzen.
In der letzten Woche hatten wir hier auf dem Blog ja einen Brief der Landwirte an die Verbraucher. Gibt es was, das er den Landwirten gerne darauf antworten möchte?
„Ja, klar. Was ich unterschreibe ist, dass die Landwirte mittlerweile deutlich weniger verdienen als vor 20 Jahren, und dass sie von vielen Seiten unter Druck stehen. Was ich gar nicht unterschreibe, ist, dass sie keine Verantwortung für die derzeitigen Situationen hätten. Was mich nervt, ist, dass sie die Verantwortung für bestimmte Missstände überhaupt nicht bei sich suchen. Klar haben die Landwirte ein massives Imageproblem, das steht außer Frage. Aber, ich finde, gerade auch in den Brief an die Verbraucher sieht man schon, dass da einfach viele Themen vermischt werden, die eigentlich gar nichts miteinander zu tun haben. Meiner Meinung nach gibt es drei große Bereiche, die man getrennt betrachten muss: Tierwohl, Artenschutz und Wasserschutz.
Mein Thema ist natürlich der Wasserschutz und die Verunreinigung des Grundwassers mit Nitrat und Pflanzenschutzmittel. Da möchte ich zu den Landwirten sagen: das unterschreibe ich wieder: die 20% Düngung unter dem N-Bedarf der Pflanzen ist eine harte Einschränkung. Dem widersprechen wir als Wasserversorger überhaupt nicht.
Aber da kommt jetzt das große ABER und das große Ärgernis: der Bauernverband hat einfach über die Jahrzehnte eine ständige Blockadepolitik betrieben. Bayern hat nun mal ein Nitratproblem, und es ist in vielen, wirklich vielen unabhängigen Studien von unterschiedlichsten Instituten nachgewiesen, dass die Landwirtschaft den größten Teil der Verunreinigung ausmacht. 70% des anfallenden Nitrats kommen nun mal aus der Landwirtschaft, die übrigen 30% aus Industrie, Kommunen und Privathaushalten.
Aber jeder Ansatz, jeder Hebel, jede noch so kleine Lösung, die von der Politik oder seitens der Verbände vorgeschlagen wurde, ist vom Bauernverband wirklich im Keim erstickt worden. Ich war 2018 dabei, als im Landwirtschaftsministerium nach der ersten Novellierung der Düngeverordnung drei Verschärfungen durch eine bayerische Ausführungsverordnung durchgesetzt werden sollten.
Jeder Vorschlag, der richtig und fachlich gut gewesen wäre, der keinem ernsthaft weh getan hätte, sondern eben durch kleine Einschränkungen schon eine Wirkung gezeigt hätte, wurde von den Vertretern des Bauernverbands abgelehnt. Hauptsache kein Aufwand für die Landwirte, wirkungsvolle Lösungen waren sekundär, bzw. wurden vom Bauerverband auch gar nicht vorgeschlagen. Das Ende vom Lied war, die EU hat gesagt, das reicht alles nicht – jetzt haben wir eben die 20% vom N-Wert. Das hätte überhaupt nicht passieren müssen, wenn man schon vorher ein bisschen kompromissbereiter gewesen wäre.
Es ist übrigens so, dass das Thema seit 1991 auf dem Tisch ist. Damals gab es die erste EU-Nitratrichtlinie. Und über diese lange Zeit konnte keine Einigung stattfinden, das ist wirklich dramatisch.“
Das kann ich alles total nachvollziehen und klingt für mich auch sehr logisch. Wir haben als Menschheit große Probleme zu lösen. Da muss jeder Abstriche machen. Aber so, wie das im Privaten auch oft ist – wenn es um den eigenen Verzicht geht, ist die Komfortgrenze bei den meisten ziemlich schnell erreicht – ist das bestimmt auch oft im Großen. Offensichtlich auch beim Bauernverband. Dazu kommt, dass der Verband früher mal eine mächtige Institution war. Wenn man auf die Seite vom bayerischen Bauernverband schaut, findet man fast nur Bilder von älteren weißen Männern – und die versierte Leserin beschleicht das Gefühl, dass auch hier eine der Vereinigungen zu sehen ist, die ihren Zenit überschritten hat. Es gibt ja auch immer weniger Bauern. Wobei das ja eigentlich schade ist, denn am Ende werden nur die größten übrigbleiben, die nicht Landwirtschaft, sondern Agrarindustrie betreiben. Aber das steht auf einem anderen Blatt.
Stimmt denn das mit den Kläranlagen und der Kanalisation, was die Landwirte gerade den Kommunen vorwerfen?
„Nein, da muss ich deutlich widersprechen! Es mag einige wenige Ausnahmen geben, wo regional bestimmte Ortschaften mit außergewöhnlich schlechtem Kanal eine hohe Nitratbelastung verursachen, aber das sind wirklich nur Marginalitäten. Das Kanalnetz wird von den Kommunen ständig überprüft, mit Kameras und neuester Technik, und das sind Standards, die deutschlandweit gelten. Die Abwasserentsorger haben auch kein Interesse an Leckagen, weil dadurch auch Oberflächenwasser in die Kanäle einsickert. Das ist dann sogenanntes Fremdwasser, das belastet Kanäle und Kläranlagen. Das wollen wir immer so gering wie möglich halten. Meiner Meinung nach ist auch das wieder ein Ablenkungsmanöver vom Bauernverband (oder/und der chemischen Agrarindustrie), um ja keine Reduzierung der Düngemittel hinnehmen zu müssen. Die bringen dann teilweise wirklich schon richtig absurde Argumente, wie zum Beispiel: es werden ja am Anfang der Saison auch die Fußballplätze in den Dörfern und Städten gedüngt. Da verschlägt es uns als Wasserversorger echt die Sprache – ein kleiner Fußballplatz pro Dorf, das umgeben ist von Feldern? Die Landwirtschaft ist einfach der größte Hebel für den Wasserschutz, da müssen wir ansetzen. Außerdem hilft es ja eh nicht, die EU-Verordnung und das entsprechende Bundesgesetz ist jetzt da.
Dazu muss man auch sagen: die Versprechungen des Ministerpräsidenten in dem Zusammenhang waren da sehr populistisch. Dadurch, dass es eben Bundes- und EU-Gesetzgebung ist, kann Bayern da gar nichts machen.“
Ich merke schon, es ist wirklich ein weites Feld, das bis in Regionen reicht, über die wir lieber schweigen. Immerhin sind ja auch große Chemie- und Agrarkonzerne wie Monsanto irgendwie weit im Hintergrund an der ganzen Diskussion beteiligt, wahrscheinlich haben ziemlich viele ziemlich mächtige Menschen und Organisationen ein großes Interesse am Status Quo mit Umweltzerstörung und Ausbeutung von Mensch und Tier.
Das werden wir beide, Ludwig und ich, aber hier und jetzt nicht lösen können, stellen wir fest. Also, was können wir denn tun? Was wäre denn Dein konkreter Lösungsvorschlag, Deine Win-Win-Situation für Wasserversorgung, und Zufriedenheit für die Landwirte?
„Zum einen bräuchte es viel mehr Kontrollen. Es gibt im Moment sogenannte Cross-Compliance-Kontrollen, dabei werden jährlich 1% der Landwirte überprüft. Das ist natürlich nutzlos, so käme jeder Hof alle 100 Jahre ein Mal zu Kontrolle dran.
Da müsste eine engmaschige Überwachung stattfinden. Der Bauernverband spricht so gerne von schwarzen Schafen und über Freiwilligkeit. Wenn es endlich mal intensive Kontrollen gäbe, könnte man auch tatsächlich mal die schwarzen Schafe ermitteln und gezielt gegen die vorgehen. Dann müsste man auch nicht andauernd alle Bauern über einen Kamm scheren. Bei uns im Einzugsgebiet ist es so, dass wir schon einige Landwirte haben, die sich freiwillig kontrollieren lassen. Davon sind 2/3 wirklich ordentlich mit ihren Zahlen, bei einem Drittel ist noch Luft nach oben.
Außerdem gibt es doch einige vielversprechende Projekte! In Franken zum Beispiel ist auf Initiative der Regierung ein „Wasserschutzbrot“ entwickelt worden. Dabei wird der Weizen nicht mehr spätgedüngt, enthält etwas weniger Eiweiß, und ist für die Bäcker dadurch etwas schwieriger zu verarbeiten. Das Brot kostet ein bisschen mehr, und die Mehrkosten für die Verbraucher werden über die Mühlen an die Landwirte weitergegeben. Es ist insgesamt für alle ein bisschen mehr Aufwand, weil es auch getrennt gemahlen und vermarktet werden muss, aber das Projekt läuft bisher sehr erfolgreich, und wird jetzt auch in Niederbayern eingeführt. Hier können sich alle Landwirte aktiv am Thema Grundwasserschutz beteiligen.“
Das hört sich doch toll an, finde ich. So kann man auf niedriger Ebene Veränderungen schaffen, die fernab von EU- und sonstiger Politik sofortige Wirkung für alle haben. Gelebter Umweltschutz und gelebte Veränderung.
„Das stimmt,“ sagt Ludwig, „aber man muss da schon sehen, dass alle Lösungen, alle Vorschläge, jede einzelne kleine Verbesserung nie vom Bauernverband gekommen ist. Sondern immer nur von anderer Seite. Das ist es, was ich ganz stark vermisse: dass auch der Bauernverband mal mit eigenen Ideen kommt, Initiative zeigt, und nicht immer nur erklärt, welche Maßnahme warum nicht geht. Wir sehen ja, es gibt Lösungsmöglichkeiten, die für alle von Nutzen sind! Es gibt wirklich gute Landwirte, mit denen man vertrauensvoll zusammenarbeiten kann!
Was ich den Landwirten zum Schluss sagen möchte: redet mit uns, bringt Euch ein! Wir sind wirklich immer gesprächsbereit und offen für konstruktive Vorschläge, Ideen und Lösungen!“
Lieber Ludwig, danke für das tolle, kompetente und informative Interview! Es hat zum einen richtig Spaß gemacht, und mich zum anderen wirklich wieder einen Schritt weitergebracht auf meinem Weg der Meinungsbildung – ich hoffe, Euch auch, Ihr lieben Leser*innen!
Und ich bin überzeugt, es werden noch ganz viele kreative Lösungen gefunden!
Sobald es das Wasserschutzbrot auch in Niederbayern gibt, gehe ich auf jeden Fall nur noch zur Wasserschutzbrotbäckerei! 🙂
Vielen Dank für diesen informativen Beitrag. Liefert Argumente für Diskussionen. Eigentlich wollte ich Munition schreiben – da sieht man mal wieder wie vergiftet auch die Sprache ist. Das Wasserschutzbrot würde ich sofort kaufen. Und den Newsletter werde ich auf jeden Fall innerfamiliär weitergeben. Weiter so liebe Katy!
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