Es geht ein Aufschrei durch die deutschsprachige Welt! Ein kleiner Stern, oder ein Doppelpunkt mitten im Wort zerstören gerade jahrhundertealte Sprachtradition!
Und warum das alles? Weil ein paar Menschen beschlossen haben, dass sie sich plötzlich nicht mehr angesprochen fühlen, wenn es um „die Bürger“, „die Wähler“ oder andere männliche Ausdrucksweisen geht. Immerhin sind doch Frauen, und diese komischen neumodischen Erscheinungen, die nicht wissen, auf welches Klo sie gehen sollen, immer schon mitgemeint!
Solche Sachen liest man ständig in den (a)sozialen Medien, wenn es um die sogenannte „Gendergerechte Sprache“ geht.
Bis vor einiger Zeit war ich der Meinung, man sollte jetzt aus Gerechtigkeitsgründen einfach mal ein paar hundert Jahre lang nur die weibliche Form verwenden. Und die Männer wären dann eben mitgemeint.
Kurz darauf ist mir aufgefallen, dass das auch nicht gerecht wäre – dann müsste man ja alle, die sich weder ganz als Frau, noch ganz als Mann fühlen, nochmal ein paar hundert Jahre warten lassen, bis sie damit dran sind, in der Sprache ihren Platz zu finden.
Dann hielt in vielen Medien, allen voran in der taz, das Gendersternchen Einzug. Ich war von Anfang an überzeugte Befürworterin. (Übrigens kein Befürworter.) Den Doppelpunkt mitten im Wort fand ich noch irgendwie komisch. Das unterbrach in meiner Wahrnehmung zu sehr den Text beim Lesen.
Bis ich auf einen kleinen Kommentar in einer Gruppe für Texter:innen stieß, wo eine der Userinnen kurz erklärte, was es mit dem Doppelpunkt eigentlich auf sich hat.
Der Doppelpunkt integriert durch die Trennung, genau wie das Sternchen, alle Geschlechter und ist damit gendergerecht. Außerdem hat er nicht den Nachteil der Sternchens, dass Vorleseprogramme damit nicht klar kommen.
Für blinde Menschen, oder solche mit Sehbehinderungen werden die Texte mit Sternchen zum Teil schwer vorlesbar. Der Doppelpunkt bietet hier den großen Vorteil, dass die Vorleseprogramme nur eine kleine Pause lesen. So wird dann aus den Miterbeiter-Stern-innen, eben Mitarbeiter [Pause] innen. So, wie wir es eben seit einiger Zeit auch aussprechen. By the way – mir gefällt die Variante mit der gesprochenen Pause sehr gut. Meine Ohren und auch mein Hirn konnten das sofort annehmen und umsetzen.
So schließt der Doppelpunkt eben nicht nur alle Geschlechter mit ein, sondern ist auch noch integrativ für Menschen mit Sehbehinderung, oder andere Menschen, die aus verschiedensten Gründen Vorleseprogramme verwenden (müssen).
Gesprochene Sprache ist neben Körpersprache nun mal die Hauptausdrucksweise von uns Menschen. Sie formt unser Selbstbild, und auch das Bild einer Gesellschaft.
Man könnte jetzt weit ausholen über die Macht des Patriarchats und den Sinn und Unsinn von Traditionen. Über Integration, den Umgang mit Menschen mit Behinderung, und die Erfahrungen von Leuten aus der queeren Community.
Das alles gehört eigentlich mit in die Diskussion um Sprache und deren Weiterentwicklung.
Aber soweit wollen wir heute nicht gehen.
Dies soll nur ein Plädoyer für den Doppelpunkt sein. Er hat sich von einem „Nebenschauplatz“ zu einem wichtigen Werkzeug in einer neuen gendergerechten und inklusiven Sprache entwickelt.
Und ganz ehrlich: Blinde Menschen, genau wie „diverse“, haben es auch so oft schon schwer genug. Wieso sollte man es diesen Leuten nicht, auch auf einer sprachlichen Ebene, so einfach wie möglich machen? Wenn es dazu nur zwei kleine Punkte und eine leicht veränderte Aussprache braucht, sollte das doch ein Klacks für uns alle sein, oder?