„Das tut ein Mädchen nicht!“

Happyfields-Interview mit Heidi Webster, Stadträtin der Stadt Straubing, Buchhändlerin, verheiratet und Mutter zweier erwachsener Kinder im Gespräch über Gleichberechtigung, Gerechtigkeit und das Leben als Frau im 21. Jahrhundert.

Liebe Heidi, tausend Dank, dass Du Dir Zeit nimmst für uns! Ich, und bestimmt auch die Leser:innen der Happyfields, wissen das sehr zu schätzen!

Danke für die Einladung, das freut mich wirklich. Du hast ja gesagt, ich kann frei wählen, über welches Thema ich gerne mit Dir und mit Euch reden möchte. Ich hab mir überlegt, ich würde gerne über Frauen, Gerechtigkeit und Gleichberechtigung reden.“

Die Heidi Webster ist eine Powerfrau. Schon alleine, mit welcher Überzeugung sie das sagt, welchen Nachdruck sie ihren Worten verleiht – ich kenne die Heidi ja schon viele Jahre, aber sie beeindruckt mich wirklich immer wieder mit ihrer Stärke und ihrer lustigen, lockeren Art.

Eins will ich Euch unbedingt noch über die Heidi erzählen: Sie hat eine bemerkenswerte Stimme und eine wirklich außergewöhnliche Art, zu sprechen. Ich höre ihr schon immer so gerne zu, sie redet klar, deutlich, kraftvoll, mit einer sympathischen niederbayerischen Einfärbung. Es ist eigentlich fast schon ein Wunder, dass sie erst recht spät in die Politik gefunden hat. Aber – und schon sind wir mitten im Thema – das liegt bestimmt auch daran, dass sie eine Frau ist. Es gibt halt tatsächlich wesentlich weniger Frauen als Männer in der Politik. Genau wie in Führungspositionen oder den gutbezahlten „Männerberufen“. Die Tatsache, dass wir andererseits z. B. die schlecht bezahlten Care-Berufe haben, die eben vor allem von Frauen ausgeübt werden, ohne die die Gesellschaft nicht überlebensfähig wäre, finden wir beide sehr bezeichnend.

„Ich hab das Gefühl, das Thema begleitet mich, seit ich ein kleines Mädchen war. Ich bin in einem reinen Frauenhaushalt aufgewachsen, und meine Oma hat immer gesagt: Pass auf, dass Du nie von einem Mann abhängig bist. Auf der anderen Seite gab es dann eben aber auch Situationen, wo es dann geheißen hat, so was macht ein Mädchen nicht. Ich kann mich noch so gut erinnern, dass ich mal mit einem Nachbarsjungen gerauft hab. So richtig gerauft, wie das halt mal passiert zwischen Kindern. Daraufhin hab ich einen riesen Anschiss bekommen, denn, dass Mädchen raufen, das gehört sich nicht. Da hab ich mir zum ersten Mal gedacht: Die Buben dürfen viel mehr als ich!

Das hat sich dann irgendwie so verankert. Wir sind älter geworden, Alice Schwarzer erreichte eine breite Öffentlichkeit und das Wort Emanze wurde oft als Schimpfwort verwendet. So ähnlich war es ja auch mal mit dem Wort Feministin, für mich waren das noch nie Schimpfwörter, aber daran sieht man, von wo wir als Gesellschaft herkommen. Was mich jetzt etwas stört, ist, dass der Ausdruck „Feministin“ aktuell fast schon zu einer Modemarke verkommt. Es gibt T-Shirts und alles Mögliche, auf dem Feminist steht, weil man damit jetzt wohl Geld machen kann.Was einfach nicht stimmt, ist, wenn gesagt wird, wir haben doch eh Gleichberechtigung.“

Sie lacht laut und herzlich.

„Ich glaube, das ist halt die subjektive Wahrnehmung der Männer. Es ist  strukturell und kulturell einfach bei Weitem noch nicht so, dass wir gleichberechtigt sind. Schau mal in den Straubinger Stadtrat, schau in den Landtag, in den Bundestag, in die Führungsetagen der DAX-Konzerne, in die Kulturbetriebe. Was mich ärgert, ist, dass es so mühselig ist, dass diese Strukturen aufgebrochen werden.

Letztens habe ich ein Stadtratsprotokoll aus den 60er Jahren gelesen. Da war eine einzige Frau im Stadtrat. Und das hat sich wirklich über Jahrzehnte, bis in die 80er, kaum verändert. Selbst heute sind wir im Stadtrat nur ein Viertel Frauen. Das liegt sicher auch an dem sogenannten „vorpolitischen Raum“, wo klassischerweise die Frauen in der Minderheit sind, weil sie sich um Kinder und Haushalt kümmern. Da wollte man ursprünglich sicher keine Frauen dabei haben.“

Wie geht´s Dir eigentlich so als Frau in der Politik?

„Mir geht es gut, in unserer Fraktion und im Stadtrat ist meine Stimme gleich viel wert. Was mich interessieren würde, ist, ob in paritätisch besetzten Gremien manche Entscheidungen anders ausfallen würden.“

Sie erzählt, dass es gerade in den Aufsichtsratsgremien sehr wenige Frauen gibt. Also gab es dort auch nur Namensschilder mit der Bezeichnung „Aufsichtsrat“. Letztens waren die Männer dort wohl sehr stolz, weil sie für die beiden Ladies von den Grünen neue Schilder hatten mit „Aufsichtsrätin“. Oder bei einer anderen Sitzung – da waren im Gremium viele Männer und drei Frauen. Bei einer Veranstaltung waren wohl allen drei Frauen Plätze in den hinteren Reihen reserviert worden. Da hat die Heidi eben einfach gefragt, warum die Frauen hinten sitzen. Seitdem wird anscheinend recht genau drauf geachtet, dass die Damen Sitzplätze in den vorderen Reihen bekommen. Sie lacht wieder, wird aber dann ganz kämpferisch.

„Frauen sollten auf allen Ebenen mitbestimmen, die Grünen haben da durch die Quote schon viel erreicht. Das sollte sich auf alle Teile der Gesellschaft ausweiten. Wir haben noch sehr viel Arbeit vor uns.

Wir müssen auf so vielen Ebenen immer noch mit Sexismus kämpfen. Zum Beispiel in der Filmbranche, in der selbst die metoo-Debatte anscheinend keine entscheidenden Veränderungen gebracht hat. Gerade die jungen Frauen werden da immer noch gnadenlos angebaggert. Oder die Diskussionen über gendergerechte Sprache. Warum löst ein Doppelpunkt oder ein Sternchen solche Diskussionen aus?  Oder Sexismus im Sportbereich, wo Sportlerinnen immer noch dafür kämpfen müssen, dass ihnen nicht beim Wettkampf direkt in den Schritt fotografiert wird. Und das im Jahr 2021!“

I can feel you, liebe Heidi. Aber sollten unseren Leser:innen am Ende eine gute Botschaft mitgeben – mach uns doch ein bisschen Hoffnung!  🙂  

„Nichts lieber als das! Ich schau ja trotz allem immer schon sehr positiv auf die Welt – denn Jammern und Negativsein bringt ja nichts. Wir Frauen sind die Hälfte der Gesellschaft, ohne uns geht es nicht, dessen sollten wir uns immer bewusst sein! Außerdem habe ich große Hoffnungen in Bezug auf unsere Kinder. Die jungen Frauen, wie meine Tochter, die fordern Dinge schon ganz anders und viel selbstverständlicher ein. Auch das lässt mich sehr hoffnungsvoll in die Zukunft blicken.“

Liebe Heidi, tausend Dank für das schöne Gespräch, für Deine Arbeit im Stadtrat und für Deinen Einsatz für die Frauenwelt im Allgemeinen!

Und danke für das gute Gefühl, dass zwar noch viel Arbeit vor uns liegt, es aber wirklich keinen Grund zum Verzweifeln gibt!

Happy Grüße,

Deine Katrin

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