Was ist eigentlich Bewusstsein? Und wieso ist das so wichtig?

Es gibt etwas in uns, das nennen wir gerne Bewusstsein. Was das genau ist, hat bis heute niemand so genau herausfinden und definieren können.

Was ist das, Bewusstsein? Und was heißt das, wenn uns etwas bewusst ist, oder wenn wir uns etwas eben nicht bewusst ist?

Bewusstsein hat auf jeden Fall etwas mit Wahrnehmung zu tun. Dinge, die wir „bewusst wahrnehmen“ schwimmen ganz oben auf der Suppe, die in unserem Geist so vor sich hin wabert.

Unser Geist, das ist unser Verstand, unser analytisches Denkvermögen, und auch die Teile, die dort noch brachliegen, die uns also unbewusst sind. Teile, die wir nicht, oder noch nicht wahrnehmen können.

Ein kleines Beispiel aus der Kindererziehung: Nur die wenigsten Menschen wollen Kindern bei der Erziehung bewusst schaden. Das war sicher auch schon so zu Zeiten, in denen Kindern noch geschlagen wurden. Eine sehr lange Zeit in der Menschheitsgeschichte war es einfach normal, Kinder mithilfe von Ohrfeigen und anderen körperlichen Gewaltanwendungen zu erziehen. Niemand hat das hinterfragt. Und man machte das eben nicht, um den kleinen Menschen bleibende Schäden zuzufügen. Man machte das einfach, weil es „normal“ war, weil die vorherrschende Meinung war, dass es nicht schaden würde, hin und wieder mal eine „Watschn“ auszuteilen.

Es war den Erziehungsberechtigten einfach nicht bewusst. Heute weiß man, dass jede Form von Gewalt, körperlich, verbal, oder nonverbal, großen, oft nicht wiedergutzumachenden Schaden in Menschen anrichtet. Die Folge daraus ist oft, dass Menschen emotional kalt werden, nicht mit ihren Gefühlen umgehen können, Bindungsängste oder andere psychische Störungen entwickeln.

Heute weiß man das alles, und es ist allgemeiner Konsens, dass Erziehung unbedingt gewaltfrei ablaufen muss. Eine kleine Bemerkung am Rande: Ich bin auch kein Fan des Wortes „Erziehung“. Was soll das sein? Ich muss einen Menschen in eine von mir gewünschte Richtung „erziehen“? Was für ein Schmarrn, als wäre ich als Mama unfehlbar und würde genau wissen, was gut für meine Kinder ist. Wenn es um Erziehung geht, ist mein absoluter Lieblingsspruch: Ärgern Sie sich nicht, wenn Ihre Kinder Ihnen nicht zuhören – dafür beobachten sie Sie die ganze Zeit. Ich finde ja, dass die beste Erziehung darin besteht, so oft wie möglich ein gutes Vorbild zu sein. Aber das nur als kleine Nebenbemerkung.

Ein anderes Beispiel ist eins aus der Physiotherapie: Wir Physios legen ja großen Wert auf eine aufrechte Haltung. Das ist auch richtig und wichtig. Den wichtigsten Schritt vergessen aber viele Therapeut:innen dabei. Das Allerwichtigste ist, dem Patienten bewusst zu machen, wie unglaublich schief und krumm er ist, und wie wenig Muskulatur er überhaupt noch hat, um in einer aufrechten Haltung bleiben zu können. Die klassische Vorgehensweise, die ich auch in der Ausbildung gelernt habe: Man erklärt den Patienten die aufrechte Haltung, und zeigt ihm Übungen zur Stärkung der Rückenmuskulatur. Drei Mal darfst Du raten, was die Patienten mit diesem Wissen machen: Zumeist ändert sich nichts. Oder nur sehr kurzfristig.

Was ich mache ist: Ich lasse den/die Patienten auf der Behandlungsliege im Sitz platznehmen. Sie sollen sich ganz normal hinsetzen. Dann korrigiere ich die Haltung so lange, bis eine wirklich aufrechte Haltung dabei rauskommt. Und dann fange ich einfach an, zu reden. Das kann ich gut. Ohne Punkt und Komma texte ich sie minutenlang zu. Über die vielen Vorteile einer aufrechten Haltung, über die Schäden, die bei allzu krummer Wirbelsäule entstehen können, über eingeschränkte Atmung durch schlechte Haltung. Dazwischen erzähle ich noch die ein oder andere kleine Geschichte oder einen Witz. Und jetzt kommt es: Während ich rede, konzentrieren sie sich nicht mehr auf das, was wir zuvor erarbeitet haben, und sie sinken wieder, ganz unbewusst, Stück für Stück in sich zusammen. Dann höre ich auf zu reden, und weise denjenigen oder diejenige darauf hin, was grade passiert ist. „Siehst Du – sobald Du nicht darauf achtest, gehst Du wieder zurück in Deine schiefe, krumme, gewohnte Körperhaltung. Und Du merkst es gar nicht. Das passiert unbewusst.“

Was ist also die Therapie? Nicht das aufzeigen der aufrechten Haltung, sondern die Bewusstmachung der unbewussten Prozesse im Körper, die in wieder in sich zusammensinken lassen. Sobald das einem Menschen wirklich bewusst wird, verändert sich die Haltung ganz von alleine – ohne Übungen oder aufwändiges Training.

Für diese Mechanismen gibt es unzählige Beispiele, aber ich hoffe, diese beiden genügen, um den Unterschied darzustellen zwischen bewussten und unbewussten Handlungen, Denkweisen, oder Lebenseinstellungen.

Wenn es um Umweltschutz, oder auch um Wasserschutz (auf www.wasser-bayern.de findest Du eine riesige Menge an Beiträgen von mir zum Thema), oder auch zum Beispiel um Frieden geht, ist es genau das gleiche Prinzip. Man kann Menschen hundert Mal sagen, sie müssen die Umwelt schützen oder Wassersparen. Wenn sie allerdings unbewusst verschwenderisch sind, und mit ihrem Verhalten die Umwelt zerstören, kann man da nichts machen. Sie werden gar nicht wahrnehmen, was für Umweltschweine sie sind. Sorry für den Ausdruck, aber so ist es nun mal.

Ich habe für mich beschlossen, mich nie wieder zu Urlaubszwecken (irgendwann werde ich meine Verwandten in Kanada besuchen, da mache ich dann eine Ausnahme in 20 Jahren Nichtfliegerei) in ein Flugzeug zu setzen, nachdem ich einen mehrteiligen Podcast gehört habe, in dem auf erschütternde Weise beschrieben wurde, dass es bereits jetzt Pazifikinseln gibt, die aufgrund des ansteigenden Meeresspiegels unbewohnbar geworden sind. Dort gab es kein Süßwasser mehr, weil das Meerwasser in die wenigen örtlichen Brunnen eingedrungen ist. Und bei regelmäßig auftretenden Sturmfluten wurden die Toten aus ihren Gräbern gespült, und trieben auf dem Wasser durch die Dörfer. Ich war noch nie eine große Urlauberin, aber das hat meinen Entschluss gefestigt, nie wieder „zum Spaß“, zur Erholung, oder aus sonst einem trivialen Grund, in ein Flugzeug zu steigen. Es gibt so wunderbare Orte in Europa, die alle bequem mit dem Zug zu erreichen sind. Und ganz bestimmt gibt es auch in halbwegs erreichbarer Nähe exotische Orte, mystische Abenteuer, spirituelle Stätten, tolle Menschen, andere Sprachen, und was man eben so von einem Urlaub erwartet. Ein guter Freund von mir war schon oft mit dem Zug im Baltikum, eine andere in Bosnien-Herzegowina, und wer kennt schon die Buslinie München – Pristina? Wahrscheinlich außer vielen Albanern und Albanerinnen, die die Strecke für Besuche in der Heimat nutzen, nicht sehr viele Leute. Es gibt doch andere Möglichkeiten, sich eine gute Zeit zu gönnen, als für das eigene Vergnügen pazifische Inseln dem Untergang preiszugeben.

Aber so lange einem das nicht bewusst ist, dass man mit dem eigenen Fehlverhalten echte Menschen trifft, so lange hat man gar nicht die Chance, das zu ändern. So lange es einer Familie nicht wirklich in der Tiefe bewusst ist, was für eine Belastung ein Pool im Garten für das Grundwasser ist, so lange werden Pools aufgebaut und befüllt werden. So lange es einem landwirtschaftlichen Betrieb nicht bewusst ist, dass es eindeutig Überdüngung ist, wenn Nitrat im Grundwasser ankommt, so lange wird er weiter seine Felder mit zu viel Dünger behandeln.

Zu diesem letzteren Thema hab ich noch eine kleine Geschichte für Euch: Ich war kürzlich auf einer Fachtagung zum Thema „Flächenbedarfsgerechte Düngung“. Da ging es darum, eine Ackerfläche in kleinere Flächen aufzuteilen, den Düngebedarf auf den kleinen Teilstücken mittels komplizierter Technik unter Zuhilfenahme von GPS- und Satellitendaten zu berechnen, und dann eben nur die Mengen von Dünger auszubringen, die wirklich auf jedem einzelnen der kleinen Teilstücke benötigt werden. Es gab Vorträge von Firmen und von Agrarwissenschaftlern, und es war insgesamt sehr landwirtschaftlich und interessant. Die interessanteste Info der Tagung war für mich jedoch eine kleine Bemerkung, die einer der Wissenschaftler (es gab nur männliche Referenten, überall immer das Gleiche!) in seinem Vortrag machte: Während der Studien zum Thema wurde natürlich alles genau gemessen und dokumentiert, und es gab auch eine Vergleichsgruppe, die ohne technische Hilfsmittel aufgrund ihrer Erfahrung weiterdüngte. Dabei stellte sich heraus, dass alle Landwirte aus der Vergleichsgruppe mehr als berechnet, also über Bedarf gedüngt haben. Alle. Jeder einzelne. Aus fehlendem Bewusstsein über die negativen Folgen für Umwelt und Wasser wurde einfach vorsichtshalber durch die Bank lieber ein bisschen mehr verwendet, als nötig gewesen wäre. Bedenkt man, dass in den allermeisten Betrieben keine Computertechnik, sondern die Landwirt:innen selbst den Bedarf an Düngemitteln berechnen, kann man fest davon ausgehen, dass tatsächlich in fast allen Betrieben einfach aus fehlendem Bewusstsein eine ständige Überdüngung stattfindet. Das Ergebnis haben wir dann als Nitrat in unserem Trinkwasser, das selbst durch Klär- und Aufbereitungsanlagen kaum mehr zu neutralisieren ist.

Die Lösung für dieses Problem ist ganz sicher nicht, den Betrieben zu sagen, sie dürfen weniger düngen. Das erzeugt nur unnötigen Widerstand, und ändert gar nichts. Das ist wie jemandem zu sagen: Setz Dich aufrecht hin. Das macht er höchstens für 2 Minuten.

Die Lösung ist Bewusstsein.

Wenn mir etwas bewusst ist, ändere ich es meistens ganz von alleine. Einfach, weil mir jetzt etwas auffällt, was ich zuvor gar nicht so richtig bemerkt habe.

Es gibt natürlich auch noch die Menschen, die sich dann ganz bewusst falsch verhalten. Dagegen ist kein Kraut gewachsen. Aber ich bin überzeugt, und hier kommt wieder meine unerschütterliche positive Grundhaltung zum Vorschein, dass das nur eine Minderheit ist.

Der größte Teil der Menschen wiederholt die eigenen Fehler nicht, sobald sie merken, dass es ein Fehler ist. Zumindest nicht immer und immer wieder. Ein paar Wiederholungen dürfen schon sein, damit man auch wirklich sicher sein kann, dass es ein Fehler war. Aber irgendwann hört man dann normalerweise damit auf.

Aber wie schafft man Bewusstsein? Ich denke, ein guter Anfang ist reden, reden, reden. Schreiben, Veröffentlichen, Kommunizieren. Áus eigenen Erfahrungen berichten. Ein gutes Vorbild sein. Vielleicht können wir als Menschheit ja den schönen Spruch über Erziehung auch auf die Gesellschaftsentwicklung anwenden: Ärgern Sie sich nicht, wenn Ihre Mitmenschen Ihnen nicht zuhören – dafür beobachten sie Sie die ganze Zeit. Vielleicht sollte sich jeder Mensch „einfach nur“ darauf konzentrieren, ein gutes Vorbild zu sein. Wie das wohl wäre? Anstrengend. Klar. Aber ich bin überzeugt, das wäre es wert.

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