Bitte kein Bauern-Bashing!

Die Bauern haben es schwer in diesen Tagen. Sie müssen nicht nur Felder bestellen, eventuell vorhandene Tiere versorgen, stundenlang im Büro sitzen, Anträge in fünffacher Form bearbeiten, Subventionen beantragen und verwalten, komplizierte Steuererklärungen ausfüllen, und so vieles mehr, sondern sie müssen zur Zeit auch als Sündenbock für irgendwie alles herhalten.

Ich erzähle Euch ganz kurz mal den Fall einer langjährigen Freundin von mir: Sie ist Landwirtin mit einem ziemlich großen Hof. Vor vielen, vielen Jahren gab es von der EU ein Projekt, in dem Biotope gefördert werden sollten, mit einer Gesamtlauflaufzeit von 60 Jahren. Also hat ihr Vater vor über 20 Jahren mit seinen eigenen Händen ein Biotop angelegt. Jetzt wurde das Projekt vorzeitig beendet, und sie ist gezwungen, entweder das Biotop zu entfernen, oder auf einen großen Teil des Wertes der Fläche zu verzichten, weil, wenn sie es lässt, der „Ackerstatus“ entfallen würde.

Will sie nicht zwei Drittel des Wertes der Fläche verlieren, muss sie es umackern. Ackert sie es um, ist sie im Dorf die „Bienenfeindin“. Das geht so weit, dass sie Angst hatten, persönlich angegriffen zu werden, wenn sie das Biotop wegreißen. Aber auf über 100.000 Euro zu verzichten nur um des lieben Friedens willen? Wer kann sich das schon leisten. Und selbst wenn, wäre der Verlust des Ackerstatus auf lange Sicht ein Problem. Hat ein Feld den Ackerstatus verloren, darf auch der Fläche nie wieder Essen angebaut werden. Mit Kontrollen. Das heißt, auch für die Allgemeinheit ist die Fläche nicht mehr nutzbar. Die Politik schiebt ihren Fall wie eine heiße Kartoffel von einer Stelle zur nächsten. Hilfe? – Fehlanzeige.

Und dann müssen sich die Landwirte und Landwirtinnen blöde Sprüche anhören, strengsten Bestimmungen folgen, ständig in Angst vor der nächsten Strafe leben. Ein befreundeter, sehr netter Landwirt – er hat keinen Biohof, aber er ist trotzdem ein großer Umweltschützer und Tierliebhaber – hat er kürzlich zu mir gesagt, dass ihm jedes Mal ganz anders wird, wenn wieder Post vom Landwirtschaftsamt kommt. „Da denk ich mir immer: Was wollen sie denn jetzt schon wieder von mir?! Immer sagen sie mir erst hinterher, wenn irgendeine Kleinigkeit nicht gepasst hat. Ich nehme Bodenproben, schau, dass ich bedarfsgerecht dünge, versuche, wirklich alles zu machen, was von mir verlangt wird, und dann finden sie hinterher doch irgendwas. Immer hinterher, nie sagen sie mir zuvor, dass ich was anders machen soll. Und kannst mir glauben, ich bin wirklich offen für gute Vorschläge und Ideen.“

Das ist das Leid der Landwirte und Landwirtinnen. Sie kämpfen mit zu niedrigen Preisen, sind zur Turbolandwirtschaft gezwungen, kämpfen gegen alle möglichen Widrigkeiten. Natürlich gibt es auch Betriebe, die – mit Verlaub – Umweltschweine sind. Aber die gibt es auch außerhalb der Landwirtschaft! Ich bin jetzt mal ganz ehrlich und knall Dir das, liebe Leserin, lieber Leser, jetzt mal so vor den Latz: Was glaubst Du, wie sauber, fair und nachhaltig das elektronische Gerät produziert wurde, das Du grade in Händen hältst?

Ich wette, dass die Herstellung und der Transport eines iPhones größere Umweltschäden verursacht, als meine Freundinnen und Freunde in der Landwirtschaft. Vielleicht sollten sich die größten Kritiker erstmal an die eigene Nase fassen. Wie ist das bei Euch so, liebe Bauern-Basher? Habt Ihr einen Pool im Garten? Fahrt Ihr viel Auto? (Reifenabrieb ist ein riesiges Problem für das Grundwasser, auf das viel zu selten hingewiesen wird.) Kauft Ihr nur im Unverpacktladen ein? Nein? Ihr produziert Plastikmüll und spritzt Eure Gärten gegen „Ungeziefer“? Ha, erwischt. Also bitte haltet mal den Ball flach und macht es erstmal besser.

Falls Du jetzt denkst: Das tue ich. Ich mach es schon besser – dann würde ich empfehlen, dass Du Dir überlegst, ob wirklich der Landwirt, der Deine Kartoffeln anbaut, schuld ist an der schlimmen Situation der Welt. Ich in nämlich der Meinung, dass Bauern/Bäuerinnen und Umweltschützer:innen einen gemeinsamen Feind haben, auf den sie sich zusammen konzentrieren könnten: Es ist nämlich in Wirklichkeit der räuberische Zwischenhandel, der uns allen das Leben schwer macht. Da werden die Bauern in Niedrigpreissektoren gedrängt, die zum Teil nicht mal mehr wirtschaftlich sind.

Und auf der anderen Seite machen sich die Vorstände von Supermärkten, Chipstütenproduzenten, Discountern, Großmolkereien, etc. die Taschen voll. Findest Du das fair?

Findest Du, der Josef, die Christina, die Marlene, oder welcher Landwirt/Landwirtin Deiner Wahl können das was dafür? Wenn man den Bildausschnitt der aktuellen Misere(n) etwas größer zieht, muss man als logisch denkender Mensch eindeutig feststellen, dass die landwirtschaftlichen Betriebe die Leidtragenden sind, nicht die Verursacher.

Wir sollten uns auf den Zwischenhandel stürzen, und da mal kollektiv anfangen, zu bashen und zu boykottieren. So ein Vorstand eines Lebensmittel-Konzerns könnte ruhig mal auf ein paar Millionen-Boni verzichten, und den Produzenten ein paar mehr Euro für ihre hochwertigen, regionalen Produkte bezahlen.

Nur so können wir die Turbolandwirtschaft bekämpfen: Indem wir endlich die echten Täter und Verursacher benennen. Indem wir uns gemeinsam für den Schutz der Natur UND den Schutz der traditionsreichen Landwirtschaft einsetzen! Und indem wir uns gemeinsam gegen die profitorientierte Zwischenhandels-Lobby stellen.

Nicht gegeneinander, sondern miteinander ist die Lösung für die Rettung der Welt.

Viele liebe Grüße,

Eure Katrin von happyfields.de

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