Der Dalai Lama wurde einmal gefragt, was ihn am meisten überrascht.

Seine Antwort war: „Der Mensch, denn er opfert seine Gesundheit, um Geld zu machen. Dann opfert er sein Geld, um seine Gesundheit wiederzuerlangen. Und dann ist er so ängstlich wegen der Zukunft, dass er die Gegenwart nicht genießt. Das Resultat ist, dass er nicht in der Gegenwart, sondern in der Zukunft lebt. Er lebt, als würde er nie sterben. Und dann stirbt er und hat nie wirklich gelebt…“

Nun, ob es dieses Zitat so gibt oder nicht, lassen wir dahingestellt. Ich kann es mir zwar gut vorstellen, aber wir wollen Eurer Heiligkeit ja nicht einfach unreflektiert Worte in den Mund legen. In jedem Fall ist es eine schöne kurze Geschichte.

Und die Aussage ist ja so treffend. Wir Menschen sind wirklich eine sehr seltsame Spezies. Wobei auch das eine zweifelhafte Aussage ist. Es gibt bestimmt auch Völker oder Stämme oder Individuen, auf die das nicht zutrifft. Wohl aber bestimmt auf einen großen, den größten Teil der westlichen Welt. Wenn ich jetzt grade so über die Menschen nachdenke, weiß ich gar nicht, wo und wie ich anfangen soll mit Schreiben. Mir fallen so unglaublich viele menschliche Negativbeispiele ein, die genau so leben, wie oben beschrieben. Ganze riesige Branchen machen schwindelerregende Umsätze mit der Angst der Menschen vor der Zukunft. Ja, was nicht alles passieren könnte, gegen das man sich zum Glück versichern kann.

Das irrwitzige an der ganzen Sache ist: die schlimmste Katastrophe von allen, der Klimawandel, die dramatische Umweltzerstörung, das massenhafte Artensterben, sieht kaum jemand, den ich kenne, als ernsthafte Gefahr für sich selbst. Die meisten kennen zwar die Begriffe, und kaufen auch das ein oder andere Mal Umweltpapier oder Joghurt im Pfandbecher, aber so richtig ernst nimmt es in meiner Umgebung kaum jemand. Natürlich gibt es die strahlenden Ausnahmen, die wirklich ein ökologisch-bewusstes Leben führen. Leute, die sich tatsächlich jeden gefahrenen Kilometer mit dem Auto fünf Mal überlegen, und alle anderen Strecken mit dem Radl fahren. Ich kenne jemanden, der eine Strecke von 25 (!!!) Kilometern jeden Tag mit dem Rad zur Arbeit fährt. Im Sommer wie im Winter. Unglaublich!

Eine Freundin von mir strickt nur mit bio-Merino- und anderen Naturmaterialen, stellt so Baby- und Kinderspielzeug für Freunde und Verwandte her, und versorgt Ihre Lieben auch noch mit hochwertigen Accessoires und modischer Bekleidung. Alles in Bioqualität, und zum großen Teil sogar aus der Region. An dieser Stelle ein großes Dankeschön an diejenige – ich bin nämlich in der glücklichen Position, auch ab und an wunderbare Strickware geschenkt zu bekommen. Von Yoga- über Sneakersocken bis hin zu einem extravaganten Jäckchen für die Abendgarderobe hab ich schon so einiges abgesahnt. Vielen Dank dafür, ich weiß das sehr zu schätzen!

Unter meinen Freunden und in meiner Familie ist Arten- und Umweltschutz schon sehr angekommen. Ich habe viele Freunde und nahe Verwandte (hihi, wenn jemand nicht im Netz erwähnt werden möchte, respektiere ich das natürlich zutiefst), die wirklich engagiert sind. Die wirklich alles, was in ihrer Macht steht, tun, um ihren Teil zu einer besseren Welt beizutragen. Die konsum- und kapitalismuskritisch sind. Die größtenteils lange vor mir verstanden haben, worum es in der Welt geht. Die mir bis heute Wege zeigen, wie man Dinge noch besser, noch nachhaltiger, noch umweltschonender machen kann. Die Familie, die schon immer ohne Auto auskommt, hat mich zum Radfahren gebracht. Meine Strickfreundin hat mir ein Gefühl für die Wertigkeit und den Aufwand der Woll- und Bekleidungsproduktion und -verarbeitung vermittelt. Andere haben schon Jahre vor mir Plastikfreiheit praktiziert. Ich lerne jeden Tag dazu, und ich muss Euch sagen: ich bin meilenweit weg von Perfektion. Allerdings stelle ich auch fest – allein unser Haushaltsmüll ist durch viele kleine Verbesserungen und Veränderungen sicher um mehr als die Hälfte geschrumpft. Ein winziger Indikator dafür, dass sich etwas zum Guten geändert hat in unserem Zuhause. Und ich hab den Holzstoß in unserem Garten vor der Entsorgung durch den Hausmeister gerettet – ein wundervolles Insekten- und Igelzuhause, das jetzt erstmal da bleiben darf. Irgendwann findet sich bestimmt ein richtiger, naturnaher Garten als Wohnalternative für Holzstoß mitsamt Bewohnern.

Auch ein langer Weg beginnt mit winzig kleinen Schritten. Ich hoffe ja nur, dass es für die Welt, und insbesondere für die Menschheit nicht schon zu spät ist, um mit Babyschritten loszugehen. Wenn wir mal ehrlich sind, bräuchte es jetzt mal ein paar riesige Schritte. Wir haben jetzt seit 30 Jahren sogenannte Klimakonferenzen, und seitdem steigt der CO2-Ausstoß weltweit ungebremst.

Am Anfang der Coronapandemie hatte ja die eine oder der andere das Gefühl, jetzt wäre ein guter Zeitpunkt für bedeutsame Veränderungen. Jetzt, wo der Pandemie-Fall zu unserer neuen Lebensnormalität geworden ist, wächst in eher die Befürchtung, dass aufgrund der aufziehenden Wirtschaftskrise Umweltschutz eher noch weiter in den Hintergrund rückt.

Es ist ja schon irgendwie komisch – mit dem Thema beschäftigen sich seit Jahrzehnten die verschiedensten Menschen. Parteien, Firmen, Wissenschaftler. Und alle sind sich ziemlich einig, dass die Welt die Ausbeutung der vergangenen 100 Jahre in dem Ausmaß nicht sehr viel länger überleben wird. Also, die Welt natürlich schon. Aber nicht die Artenvielfalt von Flora und Fauna, und allem voran nicht der Mensch. Ich glaube, fast 80% der Menschheit leben in Küstennähe, wenn ich das richtig in Erinnerung habe. Schon allein durch den Anstieg der Meeresspiegel sind weit über die Hälfte aller Großstädte weltweit vom, ich nehme das apokalyptische, aber doch treffende Wort, Untergang bedroht.

Das völlig verrückte an der Sache ist ja, dass sich in Sachen Klimawandel bis auf einige wenige Unaufgeklärte und Unverbesserliche alle einig sind. Die Wissenschaft sagt der Menschheit „unermessliches Leid“ voraus. Und was machen die Menschen? Nichts. Was machen die Politiker? Das Gegenteil, von dem, was dringend nötig wäre. Ich frage mich oft, ob die Spitzenpolitiker der Welt nicht verstehen, dass unermessliches Leid für die Menschheit auch direkt sie persönlich trifft. Oder zumindest ihre Kinder und Enkel.

Wenn nun der vielbeschworene bildungsferne Mensch in einem reichen Land in Europa Plastikzeug aus Asien kauft, kann ich irgendwie noch nachvollziehen, dass er den Bogen zum Überlaufen der Meere nur schwerlich spannen kann. Aber mal im Ernst – eine Physikerin mit einem Doktortitel zum Beispiel, oder ein ehemaliger Hedgefonds-Manager, denen würde man doch eigentlich das Hirn und die Fähigkeit zum halbwegs abstrakten Denken schon irgendwie zutrauen, oder?

Und warum das alles? Nur des lieben Geldes, des ungebremsten Kapitalismus wegen. Ich wundere mich auch immer wieder über die Menschen. Es stimmt wirklich, was im Eingangszitat steht. Menschen sind eine seltsame Spezies. Man kann sich oft einfach nur wundern.

Das Gute an uns Menschen ist: wir sind lern- und anpassungsfähig. Ich bleibe weiter optimistisch. Es hilft ja eh nicht. Wenn es dann hinterher schief gegangen ist, kann man immer noch einsehen, dass der Optimismus ungerechtfertigt war.

Aber soweit ist es noch nicht. Es gibt auch die strahlenden Ausnahmen. Und wir alle lernen jeden Tag dazu. Und wir können andere damit anstecken, dazu zu lernen, bewusst zu werden, achtsam mit der Welt, ihren Wesen und sich selbst zu werden.

Jeden Tag ein bisschen mehr. Auch ein langer Weg beginnt mit den ersten Schritten und viele kleine Taten können sich am Ende zu einer großen aufsummieren.

Wenn die Politiker schon nicht in die Gänge kommen, dann vielleicht jeder von uns in seinem eigenen wunderbaren, wertvollen Leben. Es geht auch anders. Lasst und mit gutem Beispiel vorangehen.

Dieser Beitrag hat 4 Kommentare

  1. Ilse

    „ich bleibe optimistisch – es hilft ja eh nicht“ ein wunderbares Paradox. Optimismus, um den Pessimismus zu bezwingen, der sich bei realistischer Betrachtung der Lage einstellt. Da bin ich ganz bei dir.

  2. Roland

    Lustig… Ich hab mir gerade in etwa das gleiche gedacht wie Ilse, die vor mir kommentiert hat.
    Ich würde auch gerne Optimismus aufbringen was den weiteren Weg der Menschheit angeht. Aber es kostet mich so ungeheuer viel Kraft mich in diese Richtung zu motivieren, weil ich es nicht wirklich sehe dass es da viel Grund zur Hoffnung gibt…
    Was bleibt ist die Hoffnung. Die stirbt ja bekanntlich zuletzt.

  3. Katrin Zwickl

    Oh, ich hab jetzt erst gesehen, dass Ihr kommentiert habt! 😀
    …saulustige Analyse, und das gleich doppelt! – Ich hab laut gelacht, weil mir das beim Schreiben und auch beim Korrekturlesen gar nicht aufgefallen ist. Aber jetzt, wo ich mir das grad so durch den Kopf gehen lasse, ist es wirklich ziemlich lustig. Alles – der Satz und Eure beiden Kommentare. Ich liebe unsere Community! <3

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