Von Baumdevas und anderen Ungeheuern

Dr. Rüdiger Dahlke, Psychotherapeut und Buchautor und  hat einmal in einem Interview erzählt, dass im Garten seiner alternativen Reha-Einrichtung nicht mit motorisierten Geräten gearbeitet wird. Er meinte dazu: der Lärm stört angeblich die Baumdevas. Er kenne sich ja mit sowas nicht aus, aber im Garten seiner Rehaklinik herrsche eine ganz besondere Atmosphäre.

Eine berührende Aussage, oder? Auch, wenn er sie weder sehen, noch hören, noch ihre Existenz beweisen kann, spürt er doch deutlich das Ergebnis. Ich denke grade an unsere Zeit hier und jetzt. Wir haben ja auch grade eine besondere Zeit durch einen Virus, den wir weder sehen, noch hören können, dessen Existenz zwar bewiesen ist, aber in einem normalen Haushalt ohne Elektronenmikroskop und entsprechendes jahrelanges Studium tun wir uns schwer, das nachzuprüfen. Außer, wir bekommen Covid, dann spüren wir die Existenz im Ergebnis.

Ich kann mir das gut vorstellen – dass es Schutzgeister im Baum gibt, oder ein Bewusstsein, das alle Bäume miteinander verbindet. Peter Wohlleben schreibt in seinem Buch „Das geheime Leben der Bäume“, dass Bäume auch in großen Gruppen miteinander vernetzt sind. Zum Teil gehören ganze Wälder zu einer Familie, halten zusammen und trauern, wenn einer stirbt. Auch Peter Wohlleben arbeitet in seinen Wäldern ausschließlich sehr zart und sorgsam mit Axt und Pferd, anstatt mit einem dieser schrecklichen Harvester, die riesige Wunden in die Wälder reißen.

In irgendeiner Weise ist wohl was dran am Bewusstsein der Bäume. Das haben viele Studien über die Jahre bewiesen. Wer sich in dieses Thema gerne intensiver einarbeiten möchte, dem sei oben genanntes Buch zur Lektüre empfohlen. Es ist allerdings sehr wissenschaftlich, was den Zweiflern unter meinen Lesern vielleicht sogar eher entgegen kommen könnte. Ich für mich brauche keine Beweise für ein Bewusstsein in der gesamten Natur, ich vertraue da auf mein Gefühl. Ich kann das Leben und die Sprache der Bäume fühlen – habt Ihr schon mal einen Baum umarmt? Könnt Ihr dabei erahnen, dass er in seiner eigenen Sprache spricht, mit allem, was um ihn herum ist?

Und wenn Bäume schon wissenschaftlich erwiesenermaßen miteinander reden, wieso dann nicht auch der Rest der Natur? Wieso nicht die Grashalme, die Insekten, die Blumen? Ich kann mir gut vorstellen, dass es für alle Lebewesen jedes Mal ein Schock ist, wenn die Menschen mit dem Rasenmäher oder der Motorsäge daherkommen. Ich kann mir gut vorstellen, dass die Baumdevas entsetzlich erschrecken, wenn mit lautem Gebrüll Teile ihrer geliebten Schützlinge abgeschnitten werden.

Bei den Tieren können wir uns das eigentlich noch richtig gut vorstellen. Und trotzdem wird um das Igelversteck, in dem er tagsüber schläft, mit dem Rasenmäher gewütet, und die Vögel aufgescheucht mit der Heckenschere. Wann lernen die Menschen endlich, dass sie die Natur nicht mit Waffen bekämpfen, sondern mit ihr im Einklang leben können? Wir brauchen einen Rasenmäh-Paradigmenwechsel. Wir müssen wieder lernen, dass hohes Gras schön, und ein Golfrasen eine nahezu tote Fläche ohne Mehrwert für Mensch und Natur ist. Wir müssen, wie ein Mensch nach einer langen Erkrankung wieder essen und gehen lernen muss, wieder lernen, dass die Dinge, die wir in den vergangenen Jahrhunderten dieser Welt angetan haben, falsch waren.

Carl Sagan, ein berühmter US-amerikanischer Astronom und Astrophysiker des 20. Jahrhunderts, sprach in seinem Buch „Unser Kosmos“ von den Flegeljahren der Menschheit. Wir haben als Menschheit alles ausprobiert, wie ein Teenager, der seine Grenzen testet. Wir haben alles gemacht, nur, weil wir es konnten, ohne unseren Verstand einzusetzen, ohne über mögliche Konsequenzen von Atombombe und Fließbandarbeit nachzudenken. Ohne über das Ende von Erfindungen und Errungenschaften nachzudenken. Quidquid agis, prudenter agas et respice finem, sagt der Lateiner. Was du auch tust, handle klug und bedenke das Ende. Wobei die Römer auch nicht unbedingt im Sinne ihrer Gelehrten gehandelt haben. Immerhin haben sie für den Bau riesiger Flotten und den Rohstoffverbrauch ihrer Städte schon damals halb Europa abgeholzt.

 Nach den Flegeljahren wird man ja dann langsam erwachsen. Erwachsen zu sein, heißt eben genau das: sich über die Konsequenzen des eigenen Handelns im Klaren zu sein. Bei genauerer Betrachtung fällt auf, dass diese Definition nicht das Alter berücksichtigt. Und irgendwie fallen da bestimmt jede*r von Euch ein paar lebende Beweise dafür ein, dass Volljährigkeit und „Erwachsensein“ nicht immer in einem Zusammenhang stehen müssen.

Es wird also Zeit für die Menschheit, erwachsen zu werden. Nachzudenken. Alle möglichen Enden in die Überlegungen miteinzubeziehen. Wenn man beim Bild der Flegeljahre bleibt: nicht alle Menschen überleben ihre Flegeljahre. Manche gehen auch zu weit, überschreiten Grenzen, die hinterher nicht wieder gut zu machen sind. Unfall- und Drogentote sind ein trauriger Teil von grenzenlosem Experimentieren.

Ob wir es schaffen, zu lernen? Ob wir als Menschheit unsere Flegeljahre überstehen werden? Ich bin mir nicht sicher, wenn ich mir den Zustand unserer Welt so anschaue.

Aber wir könnten doch schon mal damit anfangen, zu lauschen. Hinzuhören, was die Bäume, Sträucher, Gräser, die Vögel und Igel und Insekten uns sagen wollen. Ein guter erster Schritt hinzu einem erwachsenen Leben im Einklang mit der Natur wäre es doch, die Baumdevas zukünftig nicht mehr zu stören. Die Bäume nur noch wenig und in Zusammenarbeit mit ihren Bedürfnissen und denen ihrer Bewohner zuzuschneiden, und den Rasenmäher zu verkaufen. Langes Gras ist schön, du erwachsener Mensch, kannst du das sehen? Zwei Mal im Jahr mit der Sense zu mähen, ist nicht nur umweltfreundlich, sondern auch noch vollkommen kostenlos. Und – es hält fit! So spart man sich gleich noch Geld für´s Fittnessstudio. Also, eine echte Win-win-Situation.

Und eigentlich könnte man doch alle Formen von Gras wachsen lassen. Das würde dann zumindest meiner Vorstellung von einer perfekten Welt schon ziemlich nah kommen. Und den Baumdevas würde es bestimmt auch gefallen.

Dieser Beitrag hat 5 Kommentare

  1. Ilse

    Egal, wer in meinen Bäumen wohnt oder nicht – mich stört der Lärm meiner motorisiert und elektrisch lärmenden Nachbarn schon genug. Vielleicht sollten sich die christlichen Religionen auch mal neue Mythen ausdenken, um die Menschen leiser und braver zu machen.

  2. Roland

    Ein toller Text, den ich gleich teilen werde. Dass Bäume ein Bewusstsein haben und über Strecken vernetzt sind und kommunizieren ist mir schon länger bekannt. Und ich denke es kommt auch nicht von ungefähr, dass selbst „tote Bäume“ noch immer Kräfte in sich tragen, die positiv auf uns einwirken. Ich weiß wovon ich spreche, weil ich es in unserem schönen natürlichen Blockhaus jeden Tag erleben darf. Auch tote Bäume bergen für mich ein Gefühl von Wärme, Ruhe und Schutz und gestalten daraus eine Umgebung, in der man sich enfach nur wohl fühlen kann.

  3. Roland

    …versehentlich zu früh abgeschickt, ich war noch nicht ganz fertig :-).
    Ich gehe so weit zu sagen, dass Menschen, die sich lieber mit sterilen weißen Wänden in einer klinischen kühl modernen Wohnumgebung umgeben, den Kontakt zu ihren Wurzeln leider völlig verloren haben.
    Für unseren Garten ist es leider nicht ganz so einfach, da für einen Garten eines Musterhauses von den Interessenten gemeinhin ein properer genormter Pflegezustand erwartet wird. Ein paar Quadratmeter Wiese vor dem Teich und Bachlauf werden daher als „Alibi fürs Besucherauge“ gemäht. Aber alles andere, die Blütenwiese vor dem Haus und alles hinter dem Teich, die Büsche, Sträucher und Bäume, dürfen wachsen wie sie möchten. Und die Natur dankt es uns mit einer Vielfalt an Insekten und Vögeln, die es vielerorts mittlerweile fast nicht mehr zu sehen gibt.

  4. Sylvi

    Liebe Katrin!
    Ich lese jeden Sonntag mit Interesse deine anregenden und sehr wichtigen Infos deines Newsletters, ich bin vollkommen deiner Meinung, dass sich die Menschheit momentan evolutionär in einem sehr gefährlichen, egoistischen Stadium befindet.
    Zum Garten eine kleine Anmerkung: Ich gebe anregend zu bedenken, dass unsere (künstlich) angelegten Gärten wie in unserem Fall einer regelmäßig genutzten Menschenspielwiese dienen: Wir spielen und praktizieren in unserem Garten Yoga, Tischtennis, Crocket, Boccia, Kubb, bei meinen Eltern sogar Badminton. Das geht nur bei kurzem Rasen. 😉

    „Bewusstsein“ bei Pflanzen ist auch ein Thema.
    Pflanzen können über chemische Botenstoffe Signale aussenden, somit „kommunizieren“, das hattet ihr vorhin als Vernetzung beschrieben. Aber sie haben kein Nervensystem, somit kein Bewusstsein. Erst bei komplexem Nervensystem kann dies zustandekommen.

    Liebe Grüße, weiterhin guten Umzug, der Igel bekommt schöne Blätterhaufen!

    Sylvi

  5. Sylvi

    Liebe Katrin!
    Ich lese jeden Sonntag mit Interesse deine anregenden und sehr wichtigen Infos deines Newsletters, ich bin vollkommen deiner Meinung, dass sich die Menschheit momentan evolutionär in einem sehr gefährlichen, egoistischen Stadium befindet.
    Zum Garten eine kleine Anmerkung: Ich gebe anregend zu bedenken, dass unsere (künstlich) angelegten Gärten wie in unserem Fall einer regelmäßig genutzten Menschenspielwiese dienen: Wir spielen und praktizieren in unserem Garten Yoga, Tischtennis, Crocket, Boccia, Kubb, bei meinen Eltern sogar Badminton. Das geht nur bei kurzem Rasen. 😉

    „Bewusstsein“ bei Pflanzen ist auch ein Thema.
    Pflanzen können über chemische Botenstoffe Signale aussenden, somit „kommunizieren“, das hattet ihr vorhin als Vernetzung beschrieben. Aber sie haben kein Nervensystem, somit kein Bewusstsein. Erst bei (komplexem) Nervensystem kann dies zustandekommen.

    Liebe Grüße, weiterhin guten Umzug, der Igel bekommt schöne Blätterhaufen!

    Sylvi

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