Wenn das geschafft ist, dann bin ich endlich glücklich!

Kennst Du den Satz? Kennst Du das, wenn Du Dir immer wieder denkst: So und so sollte eine bestimmte Situation, oder ein Mensch in Deiner Umgebung sein, dann wäre alles perfekt.

„Wenn mein Mann nur endlich ordentlicher wäre…“ (Nein, ich schreib den Satz gaaanz bestimmt nicht aus persönlicher Erfahrung, wo denkst Du hin!)

„Wenn ich endlich eine bestimmte Summe Geld zur Verfügung hätte…“

„Wenn ich nur endlich meinen Traumpartner finden würde…“

…dann, denkt man ja gerne, wäre das Leben endlich vollkommen.

Aber ist Dir das auch schon mal aufgefallen? Selbst wenn die Sachen dann soweit sind, wenn der Wunschbetrag auf dem Konto, der Traumpartner gefunden, oder das Business läuft, gibt es immer wieder Sachen, die wir kritisieren können.

Im neuen Job läuft es nicht wie gewünscht (natürlich spreche ich auch hier keinesfalls aus eigener Erfahrung, das ist nur ein beliebiges Beispiel), der Wunschkontostand erweist sich dann doch als zu niedrig, oder der mittlerweile zur Ordnung gerufene Ehemann entwickelt plötzlich neue Marotten. Oder sind sie Dir vielleicht einfach bisher nicht aufgefallen? Wer weiß.

Und so hangeln wir uns von einem Wunsch und einer Bedürfniserfüllung zur nächsten, immer in der Hoffnung, dass hinter der nächsten Ecke des Lebens endlich das große Glück wartet. Und dann? Dann kommt vielleicht sogar genau das, was Du Dir erhofft hattest, aber es tauchen neue Probleme oder Wünsche auf.

Die Lebensjahre vergehen, und irgendwann taucht dann zum ersten Mal der Satz auf: Wenn ich in Rente bin, dann…

Ich kenne wirklich enorm viele Menschen, die spätestens ab Anfang 50 anfangen, auf die Rente hinzuarbeiten. Die Rente muss wirklich vielen als der Himmel, der Gipfel des Glücks erscheinen. Die Rente! Endlich nicht mehr arbeiten! Endlich keine Termine mehr! Endlich ausschlafen, Freizeit, Dinge erleben, die man so lange vor sich hergeschoben hat! Ein wahrgewordener Traum!

Aber kennst Du auch die Menschen, die endlich, endlich in den Ruhestand gegangen sind, und ab da nur noch krank waren? Die ein großes Vorhaben nach dem anderen einstampfen mussten, weil sie plötzlich nicht mehr fit genug sind?

Je älter, weißer, und hoffentlich auch ein wenig weiser ich werde, desto mehr sehe ich, dass es das perfekte Leben nicht gibt. Oder dass alles jetzt schon auf seine Weise perfekt ist.

Egal, für welche der beiden Möglichkeiten Du Dich entscheidest, ob es nie perfekt ist, oder immer – diese beiden Gedanken entlasten zumindest Deinen Geist von der Vorstellung, dass man das Leben auf irgendeine Weise perfektionieren könnte.

Na, dann ist der neue Job eben nicht perfekt, der Partner hat Macken, und die Million ist auch noch nicht auf dem Konto. So what! Du lebst! Du atmest. Du hast bestimmt so viele Dinge, für die Du dankbar sein kannst. Viel mehr, als Dinge, über die Du meckern könntest, wenn Du genau hinschaust.

Der Punkt ist, Du wirst immer Menschen und Situationen in Deinem Leben haben, die Du gerne anders haben wollen würdest. Und was viel zu viele Menschen machen, ist ständig an allem herumzukorrigieren. Hier was ändern, da was ändern, Partner, Jobs, Freunde austauschen, aus der Stadt ins Grüne ziehen, oder umgekehrt – und Du wirst immer wieder etwas finden, das Dich stört.

Das kannst Du durchziehen bis Du alt und grau und unbeweglich bist, und bis die vielbeschworene und so verlockend erscheinende „Rente“ endlich erreicht ist.

Und dann? Dann wirst Du merken, dass Du alt bist, und dass Du Dein Leben lang unrealistischen Vorstellungen hinterhergelaufen bist. Oh, wie wundervoll war doch die Arbeitszeit, wie nett doch die Kollegen, wie gut der Kaffee im Büro.

Wie war es doch schön, als die Kinder klein, die Inflation niedrig, und die Gelenke beweglich waren! Dass mit dem Ausscheiden aus dem Arbeitsleben viele, viele neue Probleme auftreten, ist den meisten nicht bewusst, bis es so weit ist. Plötzlich rennst Du von einem Doktor zum nächsten, und wenn Du in der Früh aus dem Bett aufstehst, weißt Du gar nicht, was Dir am meisten wehtut. Und vielleicht bist Du ja sogar noch fit, aber Dein*e Traumpartner*in leidet an größeren oder kleineren Zipperlein.

Der Punkt ist: Wir leben unser Leben ständig so, als würden wir ewig leben. Als würden wir ewig gesund und munter bleiben, und als könnten wir noch ewig Selbst- und Fremdoptimierung betreiben.

Aber so ist es nicht. Das, was JETZT stattfindet, das ist Dein Leben. Perfekt oder nicht, mit einem rülpsenden Partner, oder einem erkälteten Baby, mit Minus auf dem Konto oder störrischen alten Eltern auf dem Weg zum Pflegefall – das alles ist jetzt Dein Leben, Deine Aufgabe.

Versuche nicht ständig, ständig alles zu optimieren. Verwende Deine Kraft lieber darauf, das Hier und Jetzt zu genießen. Mit allen Unvollkommenheiten. Denn so ist nun mal das Leben – unvollkommen auf seine eigene perfekte Weise!

Und auch, wenn ich selber gar keine Erfahrungswerte in Bezug auf das Rentenalter hab, bin ich mir aus vielen Jahren der intensiven Beobachtung ziemlich sicher: Ruhestand ist ganz sicher nicht die Verwirklichung aller ungelebten Träume. Wenn Du solche hast, verwirkliche sie jetzt. „Irgendwann“ ist vielleicht irgendwann zu spät.

Wenn Dich hier und jetzt etwas nervt, wenn Du nicht abstrusen Tagträumen hinterherrennst, sondern wirklich echte, nachhaltige Veränderung willst, wenn Du auf dem Weg ZU etwas HIN bist, und nicht VON etwas WEG, dann mach es JETZT.

Wenn Dich Dein Job so dermaßen nervt, dass Du mit Anfang 50 schon die Tage zählst, such Dir lieber auf Deine alten Tage noch einen neuen Job. Einen, der Dir so viel Spaß macht, dass Du lieber noch 20 Jahre Deine Lebenszeit damit verbringst, als jetzt schon die Monate zu zählen.

Denn das kann ich Dir aus eigener Erfahrung versichern: Lieber einen neuen Job, der Dich sehr fordert, und der Dir das Leben vielleicht sogar eine Zeit lang schwer macht, als immer nur davon zu träumen, die aktuelle Arbeit irgendwann nicht mehr machen zu müssen.

Hör auf zu warten. Hör auf, zu prokrastinieren. Hör auf, zu denken, dass alles gut wird, wenn Du nur um die nächste Ecke des Lebens gebogen bist, das nächste Ziel erreicht hast.

Und hör unbedingt auf, zu glauben, dass wenn irgendetwas geschafft ist, dass Du dann endlich glücklich bist.

„Tu es oder tu es nicht,“ sagt Yoda in StarWars, „es gibt kein versuchen.“

Versuch nicht, glücklich zu sein.

Sei es.

Und warte damit auf keinen Fall bis zur Rente.

Dieser Beitrag hat 2 Kommentare

  1. Ilse

    Das war Mal wieder ein schöner und wichtiger Text! So voller Weisheit… Ich sollte mich vielleicht doch Mal mit dem Star Wars Universum beschäftigen. Einstweilen merke ich mir erstmal den Satz vom alten Yoda

    1. Katrin Zwickl

      Liebe Ilse, tausend Dank für Dein Lob – das geht mir runter wie naturreiner Bio-Honig. 🙂 Und ja, eine eingehendere Beschäftigung mit dem StarWars Universum lohnt sich auf jeden Fall! Es steckt voller Weisheit, und grade der Glauben der Jedi ist stark an die buddhistischen Lehren angelehnt.

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