Energieknappheit, Klimawandel, Krieg, Inflation – Im Chinesischen gibt es nur ein Wort für „Krise“ und „Chance“.  

Seit vielen Jahren folge ich schon dem Umweltblog utopia.de. Schon vor Jahren hab ich dort wertvolle und hilfreiche Beiträge gefunden zu einem minimalistischen, nicht-kunsumorientierten Lebensstil.

Seit Langem lese ich dort nach, was eigentlich die Zahlen auf der Heizung bedeuten, welche Möglichkeiten es gibt, Ressourcen zu sparen, Geld zu sparen, Dinge selber zu machen anstatt sie zu kaufen, und so weiter. Ich empfehle die Seite schon seit vielen Jahren Freund:innen und Bekannten, und hab schon unzählige Weihnachts- und Geburtstagsgeschenke aus den Anleitungen selber gemacht.

Und was ist die Folge daraus, wenn man sich über Jahre mit Minimalismus, Glück ohne Konsum, und einem Leben beschäftigt, das sich auf die Wesentlichen Dinge konzentriert? Na klar, dass man ein zumindest in Maßen konsumbefreites Leben führt, insgesamt wirklich wenig Geld braucht, ohne das Gefühl zu haben, man würde sich einschränken, und dass man über die Zeit immer glücklicher wird. Weil man ein Gefühl dafür bekommt, dass Lebensglück nicht von Dingen im Außen abhängt.

Drei Mal darfst Du raten, ob wir gut durch die Coronazeit gekommen sind. Für die Kids war es teilweise schlimm, weil die brauchen einfach das Außen. Um sich zu entwickeln, um Spiegel und Reibungsflächen zu haben, für Bewegung und Kommunikation.

Uns Erwachsenen hat die langweilige Bewegung beim Spazierengehen mit den Hunden ausgereicht, und die Kommunikation innerhalb der Familie und über digitale Wege. (Wie sehr die Kids in der Corona-Zeit gelitten haben, können wir uns wahrscheinlich nur schwer vorstellen. Aber das ist eine andere Geschichte.)

Und jetzt grad, im aktuellen Krisen-Stapel, bei Krieg, Inflation, Energieknappheit, und Klimawandel? Im Moment ist es für mich und meine Familie noch ziemlich easy. Wir gehen eben jetzt noch ein bisschen bewusster mit Energie um, fahren noch ein bisschen mehr mit dem Radl, und werden im Winter noch ein bisschen weniger einheizen. Das tut auch gar nicht weh. Und ich stelle fest: Man kann an so vielen Stellen immer noch weiter optimieren.

Ebenfalls schon vor vielen Jahren hab ich von einer Bekannten, die damals im Umweltministerium gearbeitet hat, eine Postkarte geschenkt bekommen mit dem Ratschlag: „Kuscheldecke statt Heizung aufdrehen“. Ein verschwörungsaffiner Mensch würde darin jetzt wahrscheinlich den Beweis sehen, dass diese ganzen Krisen von langer Hand geplant sind. Lol.

Wahrscheinlich war die Postkartenaktion des Ministeriums eher dahingehend gedacht, einfach frühzeitig zum Energiesparen aufzurufen, weil ja nicht erst seit gestern klar ist, dass wir auf direktem Wege auf solche Zustände, wie wir sie jetzt grade haben, zusteuern. Aber das ist nur meine unmaßgebliche Vermutung. Und wir wollen uns ja jetzt nicht mit Glaubensfragen beschäftigen, sondern mit Fakten. Und vor allem mit aktuellen Krisenfragen.  

Natürlich ist die Postkartenaktion damals ohne Widerhall verpufft. Und heute fehlt möglicherweise das Papier und das Geld für eine Wiederholung.

Was ich eigentlich sagen möchte: Es hätte schon lange viele Möglichkeiten gegeben, bewusster mit der Natur und ihren Ressourcen umzugehen, aber es hat einfach nur eine winzigkleine Minderheit interessiert.

Und jetzt? Jetzt sind Energie- und Geldspar-Tipps auf einmal in aller Munde. Egal, ob im Radio, im Fernsehen, auf Youtube, als Podcast: Umweltschutz ist allgegenwärtig. Wenn ich zur Zeit den bayerischen Rundfunk einschalte, komme ich mir vor, als würde ich die Utopia-Seite im Radio vorgelesen bekommen. Und ich bin so erstaunt – Sachen, die für mich absolut selbstverständlich sind, werden dort thematisiert. Dinge, schon vor 10 Jahren im Internet als Videos und Blogbeiträge kursiert sind, erreichen heute eine breite Öffentlichkeit. Eigentlich ist das was Gutes, aber es hat einfach viel zu lange gedauert, und wohl erst ein paar wirklich harte Krisen gebraucht, bis es endlich so weit war.

Und was ist die Reaktion der breiten Masse? Zu einem großen Teil erstmal Empörung. Wie, nicht mehr so warm einheizen? Wie, nicht mehr mit dem geheiligten Auto fahren? Wie, nicht mehr in den Pauschalurlaub oder zum Kurztripp an einen beliebigen Ort der Wahl fliegen? Wie, nicht mehr ständig neue Klamotten kaufen, und die anderen in die Tonne kloppen? Das geht ja mal alles gar nicht.

Wenn ich so höre, und vor allem in den sozialen Medien lese, wie die Leute sich aufregen, muss ich immer heimlich in mich hineinschmunzeln. Wir haben es Euch gesagt. Nicht nur ein Mal, nicht nur auf einem Kanal, sondern ständig und überall. Ihr wolltet halt nicht auf uns hören. Wir haben Euch immer wieder gesagt wie es wahrscheinlich kommen wird. Aber ihr wolltet es uns nicht glauben.

Wir haben Infostände in den Städten aufgebaut. Egal, ob die Grünen, die ÖDP, Greenpeace, der Landesbund für Vogelschutz, der Bund Naturschutz, die Betriebe der ökologischen Landwirtschaft, die Wasserwirtschaft – sie alle haben innerhalb ihrer Möglichkeiten immer wieder vor genau dieser Zukunft, in der wir uns gerade befinden, gewarnt. Mal laut, mal leise, mal im persönlichen Gespräch, mal in der Zeitung oder im Fernsehen, und ständig und überall in den sozialen Medien. Aber bis auf ganz Wenige hat das einfach keine Sau interessiert.

Jetzt, wo es fast schon zu spät ist, horchen die Leute auf einmal auf. Wir haben gesagt, Energie wird unglaublich teuer werden. Aber erst jetzt, wo Energie wirklich langsam mal ein kleines bisschen mehr kostet, fangen sie alle an, hellhörig zu werden. Und sich zu empören. Grade in meinem persönlichen Umfeld kann ich mich da nur noch wundern. Ich bin jetzt seit 17 Jahren Parteimitglied bei den Grünen. Bei einigen meiner Bekannten ist mir wirklich schleierhaft, wie die jetzt über „den Staat“ und die „verrücktgewordenen Politiker“ schimpfen können. Die haben mir eindeutig über die Jahre nicht zugehört. Oder ich hab es nicht richtig rübergebracht, das kann natürlich auch sein.

Aber ganz offensichtlich bin ja nicht nur ich allein damit gescheitert, Menschen begreiflich zu machen, dass die Zukunft ungemütlich werden wird. Alle Verbände, Initiativen, Vereine, und Parteien, die das gleiche Ziel hatten, haben es ja auch nicht hinbekommen. Und schwupps, schon sind wir in genau der ungemütlichen Zukunft angekommen. Jetzt brauchen wir es ihnen nicht mehr zu erklären, jetzt sind wir schon da. Immerhin bleibt uns allen ein leise gemurmeltes „Wir haben es Euch ja gesagt.“ Das ist ja auch schon was. Auch, wenn es uns allen ganz sicher lieber gewesen wäre, es wäre anders gekommen: Zumindest haben wir jetzt die bittersüße Gewissheit, recht gehabt zu haben.  

Neben dieser kleinen, wenn auch traurigen Bestätigung für die Umweltschützer:innen hat die aktuelle Situation aber tatsächlich auch ganz reale Vorteile für die Welt: Endlich ist der Druck hoch genug, damit wirklich alle jetzt anfangen, Energie zu sparen. Überheizte Wohnungen und Büros, am besten noch mit gekippten Fenstern gehören ab dem kommenden Winter ganz sicher der Vergangenheit an.

Die Autos müssen zwangsläufig öfter mal stehen gelassen werden, weil es einfach zu teuer geworden ist, einfach mal so zum Spaß nach München oder sonstwohin zu fahren, und auch die Industrie muss plötzlich ganz schnell neue Wege finden in Bezug auf ihren Energieverbrauch.

Wir, die Umweltschützer:innen und Aktivist:innen sagen schon so lange, dass die Energiewirtschaft aus drei Pfeilern bestehen muss: 1. Einsparungen, 2. Bessere Speichermöglichkeiten, 3. Erneuerbare Energien.

Aber es wurde fröhlich weiter Braunkohle abgebaut und Gas aus Russland importiert, als gäbe es kein Morgen. Jetzt ist das Morgen da, und alle schauen blöd, weil sie überhaupt nicht vorbereitet sind.

Fast alle – ein kleiner unbeugsamer Haufen Sonderlinge fährt schon lange mit dem Rad und trotzt der Konsumgesellschaft. Und lacht sich jetzt ein kleines bisschen ins Fäustchen.

Alle anderen müssen jetzt nachziehen, und das, was wir uns teils über Dekaden angeeignet haben, in kürzester Zeit, und unter Gezeter und Gemecker, unter Empörung und Trotzreaktionen, nachholen.

Ich finde, es steht allen Umwelt-Kämpfer:innen zur Zeit zumindest zu, ein ganz kleines bisschen hämisch zu sein. Nicht so, dass das gute Karma Schaden nimmt. Aber ein ganz kleines bisschen.

Im Chinesischen gibt es anscheinend nur ein Wort für Krise und Chance. Und ganz ehrlich: Das, was im Moment so allgemein als Krise wahrgenommen wird, sehe ich, und viele Andere auch, als eine riesige Chance. Die großen Veränderungen der Menschheit sind alle aus großen Krisen hervorgegangen.

Jetzt pressiert´s auf einmal mit erneuerbaren Energien, mit Einsparungen, und mit Innovationen. In Krisen gehen auf einmal Sachen, die vorher unvorstellbar waren. Krisen kürzen lange Genehmigungsverfahren ab, und können erfahrungsgemäß Katalysatoren sein in der Entwicklung von Menschheit.

Ich persönlich zweifle zeitweise an der Menschheit. Aber fast schon paradoxerweise werde ich immer zuversichtlicher je mehr sich die Lage um uns herum „verschlechtert“. Denn, vielleicht ist es mit der Bewusstwerdung so, wie mit einer guten physiotherapeutischen Behandlung: Manchmal muss es erst schlechter werden, damit es besser werden kann.

Lasst uns auf das Beste hoffen.

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