Interview mit Thomas Müller, Waldführer des Nationalpark Bayerischer Wald, Bürgermeister a.D., und „Waldbademeister“ (Kursleiter Waldbaden – Achtsamkeit im Wald)

„Hi Thomas, herzlich willkommen zum Happyfields-Interview! Schön, dass Du Dir Zeit genommen hast für mich und die Community!“

„Hallo und danke für die Einladung! Ich freu mich auf unsere gemeinsame Stunde!“

„Ich mich auch! Dann lass uns doch gleich einsteigen in die Materie, Du willst uns heute über Deine Leidenschaft, das Waldbaden berichten – dann erzähl doch mal: Wer bist Du, was machst Du, und wie bist Du zu Deiner Leidenschaft gekommen?“

Thomas hat etwas Mönchshaftes an sich. Er strahlt eine große Ruhe und Bodenständigkeit aus. „Das ist schon so, oder, Du bist schon irgendwie so ein Mönch. Wir kennen uns ja jetzt schon eine ganze Zeit, und darüber haben wir ja schon öfter geredet.“ Wir sitzen uns gegenüber und freuen uns beide, einfach Zeit zusammen zu verbringen und über den Wald, Gott und die Welt zu reden. Zum ersten mal überhaupt treffe ich mich zum Interview nicht via zoom, sondern ganz in echt bei mir in der Praxis.

„Naja, mönchshaft, das stimmt schon ein bisschen. Aber auch ein bisschen nicht, weil ich auch ein großer Genießer bin. Vielleicht bin ich so was wie ein genießerischer Mönch, vielleicht auch ein bisschen außerirdisch, aber auf jeden Fall auch ein bisschen langweilig. Langweilig deswegen, weil ich die Langeweile sehr mag. Das ist auch ein passendes Stichwort für das Waldbaden: beim Waldbaden gibt es Momente, die eine lange Weile brauchen. Erst, wenn man verweilt, kommt man zu sich und zu Erkenntnis.

Waldbaden kommt aus dem Japanischen. Shinrin Yoku ist der japanische Begriff dafür, und bedeutet „Eintauchen in die Atmosphäre des Waldes“.

Waldbaden ist grundsätzlich absichtslos. Ich mache es zum Einstieg immer so, dass ich mir mit der jeweiligen Gruppe den Himmel anschaue. Jeder und sucht sich seine und ihre Wolken aus, das sind dann unsere Gedankenwolken. In eine der Wolken geben wir unser Wissen, in die nächste unsere Gedanken. Alles, was in uns ist, egal, ob es positiv oder negativ ist. Und dann schauen wir die Wolke an und lassen sie ziehen.

Absichtslosigkeit ist also die Basis. Was genau so wichtig ist, ist, dass es wertfrei ist. Der Weise Tich Nath Than, den ich sehr verehre, hat mal gesagt, das Leben ist dann richtig gelebt, wenn wir wirklich präsent sind im Hier und Jetzt. Das ist Waldbaden auch. Da ist man ganz im Hier und Jetzt.

Das Sein im Hier und Jetzt geht grundsätzlich überall, aber der Wald hat eine waldwunderbare Atmosphäre, er ist ein waldwunderbarer Helfer, damit man dieses Hier und Jetzt wirklich erleben kann.

Die Waldatmosphäre beinhaltet die wunderbare Waldluft mit ihrem ganz eigenen Waldduft. Der ist ganz zentral bestimmt durch die Terpene, die auch Kommunikationsstoffe für die Bäume sind. Die tun uns Menschen auch gut, die fördern unser Immunsystem, und leisten so einen wertvollen Beitrag zu unserer Gesundheit.

Außerdem ist der Wald grün, was ja bekanntlich die entspannendste Farbe ist.

Wir leben ja mittlerweile alle in Ortschaften, und denken, das ist normal so. Aber unsere DNA ist generationenalt…“

„…eigentlich Jahrmillionen alt…“

„Ja, das stimmt! Deshalb fühlen wir uns im Wald so wohl. Da kommen wir her. Das ist uns gar nicht mehr bewusst, dass da eigentlich unsere Wurzeln sind. Weil wir ständig unterwegs und geschäftig sind.

Der Wald wirkt ausgleichend, senkt den Blutdruck und hat Auswirkungen auf alle unsere Systeme. Psychisch wie körperlich.

In diese Atmosphäre tauchen wir beim Waldbaden ein. Und dann ist es halt so, wie es immer ist – wie wenn man jemanden besucht zum Beispiel. Man tritt zuerst einmal ein. Der Eintritt ist das erste Kontaktaufnehmen. Man ist im Ankommen. Das kann mit einer kleinen Meditation oder einer Bodyscanübung sein. Mir ist wichtig, dass die Leute dann spüren, dass man waldwunderbar geerdet wird, und dann kann man wie ein Baum nach oben wachsen und „gehimmelt“ werden.“

„Was für ein süßes Wort! Gehimmelt!“  

„Ja, das stimmt!“

Wir freuen uns beide über diese hübsche Wortneuschöpfung. Sich himmeln und sich erden – da ist man dann wirklich gleich ganz im Hier und Jetzt.

„Übrigens ist es so, dass man in jedem noch so kleinen Wald Waldbaden praktizieren kann. Das geht schon bei wenigen Hektar Wald. Da braucht es keine riesige zusammenhängende Fläche.“

 Thomas redet langsam und bewusst, betont dabei jedes einzelne Wort.

„Nach der Meditation kommt dann die Bewegung. Das bedeutet zuallererst einmal Gehen. Thich Nath Than spricht vom „Bewussten Gehen“. Gehen bedeutet, dass man in ganz langsamen Schritten in das Waldareal hineingeht, und gleichzeitig in sich selbst hineingeht.

Damit haben wir jetzt zwei Bausteine: Das Ankommen, und das Gehen im Wald. Dann gibt es verschiedene Übungen, die die Sinne herausfordern. Das Eintauchen in die Atmosphäre des Waldes bedeutet, mit allen Sinnen einzutauchen.

Zum Beispiel kann man den Hörsinn herausfordern. Der Hörsinn ist der erste Sinn, der sich bei uns Menschen schon während der Schwangerschaft bildet. Übrigens ist es auch eine interessante Tatsache, dass der Hörsinn während des Sterbeprozesses der Sinn ist, der uns als letztes verlässt. Deshalb ist so wohltuend einfach mal zu hören.

Es ist ein angeleitetes Hören, auf Vogelstimmen, auf Blätterrauschen, auf Blätter, die vom Baum fallen. Manchmal kann es sein, dass man richtiggehend erschrickt, wenn zwischendrin plötzlich eine Frucht vom Baum fällt. Dinge, die uns nicht mehr bewusst, oder selbstverständlich geworden sind, werden zu einem Erlebnis.“

Ich erzähle, dass ich vor einiger Zeit gelernt habe, dass es einen Unterschied zwischen Hören und Lauschen gibt. Dass Lauschen einfach ein Wahrnehmen aller Geräusche ist, die uns umgeben. Ohne zielgerichtetes „Hinhören“. Das findet der Thomas gut:

„Ja, dann könnte man sagen, ist es zum Teil ein Hinhören, und zum Teil ein Lauschen.  

Es gibt auch Atemübungen, Augenübungen, Fokussierungsübungen. Ich finde es auch interessant, wenn man einen Bilderrahmen dabei hat. Wenn man Dinge mit einem Rahmen umgibt, bekommen sie auf einmal eine ganz andere Bedeutung. Man kann ihn aufs Moos legen, oder bestimmte Dinge einrahmen und so ein Bild daraus machen. So gehen wir alle Sinne durch, je nach Art und Thema des Waldbadens.

Gegen Ende gibt es auch kreative Momente. Man kann entweder einzeln oder als Gruppe ein Mandala legen. Da entstehen oft faszinierende Mandalas, die im Schweigen gelegt werden. Dabei merken die Leute oft, wie wohltuend es sein kann, zu schweigen, und wie viel, und wie viel Unwichtiges wir oft reden. Viele Menschen denken, schweigen ist etwas Negatives – beim Waldbaden spüren die Teilnehmer und Teilnehmerinnen, wie positiv schweigen sein kann!

Ein weiteres spannendes Element…“

„Thomas, Du kannst echt so wahnsinnig gut reden!“, unterbreche ich ihn voller Bewunderung. „Du sagst keine Ähs und Ähms, Du verwendest immer unterschiedliche Wörter, brauchst keine Denkpausen. Ich bin echt so beeindruckt davon, wie Du sprichst!“

„Liebe Katrin, ich war doch 12 Jahre lang Bürgermeister. Ich dachte ja, ich mache mal politische Karriere, aber dann es doch nicht so gekommen, und ich bin beim Wald gelandet. Wer weiß, wo mein Weg noch hinführen wird. Ich hab auf jeden Fall noch viele Pläne. Unter anderem überlege ich, ob man Waldbaden nicht auch zur Trauerbegleitung, oder als Ritual bei Trauungen oder Taufen anbieten kann. Also einfach zu bestimmten Anlässen wie Firmenfeiern oder ähnlichem.

Aber zurück zum Waldbaden: Ein weiteres spannendes Element sind die Hände. Gelegentlich erlebe ich zwei verschiedene Varianten: Entweder heißt Waldbaden für jemanden Bäume umarmen, und die fragen dann immer: Wann umarmen wir jetzt endlich die Bäume? Und andere sagen: Ich geh schon mit, aber ich umarme fei keinen Baum!“

Wir lachen beide sehr herzlich – ich kann mir das gut vorstellen, wie so ein gestandener Bayer gleich mal von vornherein so einen esoterischen Schmarrn für sich ausschließt.

„Bei mir ist es so, dass Waldbaden natürlich viel mit Berührung zu tun hat. Ich führe die Menschen Schritt für Schritt an die Bäume heran. Man nimmt auch mal den Waldboden in die Hand. Eine interessante Erfahrung, wo ja unsere Hände heutzutage nicht mehr dreckig werden dürfen!

Eine meiner Lieblingsübungen ist es, mich auf den Waldboden hinzuknien, und ich freu mich dann richtig, wenn meine Hose dreckig wird, und eine richtige Portion Waldboden in beide Hände zu nehmen. Allein das anzuschauen, genau hinzuschauen, ist ein Erlebnis. Und dann kommt mein absoluter Lieblingsmoment: Ich stecke meine Nase voll in den Waldboden in meinen Händen hinein. Das ist einfach waldwunderbar!

Waldboden prickelt, Waldboden riecht aromatisch. Das ist mit das Faszinierendste daran. Außerdem sind auch im Waldboden Mikroorganismen, die eine positive Wirkung auf uns Menschen haben. Daran forscht auch gerade die LMU München.

Es gibt noch eine Menge anderer Übungen, aber ich möchte natürlich für die Teilnehmer und Teilnehmerinnen noch die ein oder andere Überraschung bereithalten.

Was noch ganz wichtig ist, ist ein guter Abschluss: Am Ende gibt es immer ein Tee-Zeremonie mit geheimen, besonderen Wald-Zutaten. Da lasse ich die Leute dann raten, was drin ist, bevor ich das Rätsel schließlich auflöse.“

Am Ende der waldwunderbaren gemeinsamen Stunde trinken der Thomas und ich noch seinen unfassbar leckeren Tee. Ich weiß schon, was drin ist, weil ich ja im vergangenen Winter schon mal mit ihm beim Waldbaden war. Aber ich verrate es Euch auch nicht! Findet es selber raus, und meldet Euch gerne für eine Waldbaden-Session beim Thomas an. Entweder über Facebook, oder über das Hotel „Das Mühlbach“ in Bad Füssing, zu erreichen unter https://www.muehlbach.de

Thomas freut sich schon auf alle, die Lust haben, mit ihm zusammen den Wald mit allen Sinnen zu erleben!

Lieber Thomas, vielen Dank für die gemeinsame Zeit, das tolle Gespräch, und die waldwunderbare Tee-Zeremonie! Ich freu mich schon, wenn wir wieder gemeinsam Wandern gehen! 

Dieser Beitrag hat 2 Kommentare

  1. Ilse

    Danke für das schöne Interview! So konnte ich den Thomas ein bisschen besser kennenlernen. Ich erlebe immer wieder die positive Wirkung des Waldes, wenn wir unseren Enkel aus dem Waldkindergarten abholen. Er ist müde und hungrig, oft nass und dreckig wie ein Erdferkel, aber immer bester Laune. Inzwischen ist „sein“ Wald zu einem meiner liebsten Spazierorte geworden, auch weil er so nah ist.

  2. Ilse

    Danke für das schöne Interview! So konnte ich den Thomas ein bisschen besser kennenlernen. Ich erlebe immer wieder die positive Wirkung des Waldes, wenn wir unseren Enkel aus dem Waldkindergarten abholen. Er ist müde und hungrig, oft nass und dreckig wie ein Erdferkel, aber immer bester Laune. Früher stand ich dem Konzept Waldkindergarten skeptisch gegenüber, aber jetzt überzeugt es mich vollkommen, auch weil der Wald genug Spielmöglichkeiten bietet, ganz ohne Technik und mit viel Raum für die Fantasie.
    Inzwischen ist „sein“ Wald zu einem meiner liebsten Spazierorte geworden.

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