Carl Sagan und die Flegeljahre der Menschheit

Kennst Du Carl Sagan? Ja? Falls nicht, will ich Dir kurz was über einen der richtungsweisendsten Astrophysiker des 20. Jahrhunderts erzählen.

Carl Sagan wurde 1934 in Brooklyn geboren, und war nicht nur Astrophysiker, sondern auch Astronom, Exobiologe, Schriftsteller, und Fernsehmoderator.

Eines seiner bekanntesten Bücher ist „Unser Kosmos“, das aus den Skripten der gleichnamigen 13-teiligen Fernsehserie entstand, die er selbst geschrieben und moderiert hatte.

„Unser Kosmos“ kann man kaum als Buch bezeichnen, es ist ein Werk. Ein Werk mit Strahlkraft, eines, das nicht nur Astrophysik und Astronomie behandelt, sondern auch sehr philosophische Ansätze hat.

Ein Gedanke aus dem Buch beschäftigt mich schon seit vielen Jahren, und endlich pack ich es an, einen Blogbeitrag darüber zu schreiben.

Carl Sagan spricht in seinem Werk von den „Flegeljahren der Menschheit“, in denen wir uns seit Beginn der Industrialisierung befinden.

Er meint damit die Tatsache, dass wir in Zeiten leben, in denen die Menschen unglaubliche Möglichkeiten haben, ihre Ideen umzusetzen, dies aber ohne Rücksicht auf Verluste tun. Alles, was möglich ist, muss auch möglich gemacht werden. Und obwohl Carl Sagan den Ausdruck bereits in den 1960er Jahren geprägt hat, hat er nichts von seiner Aktualität verloren. Wie sonst könnte man sich erklären, dass Menschen auf den Mount Everest klettern müssen? Als teure Urlaubsbeschäftigung?? Und als wäre das nicht schon idiotisch genug – schon allein die weite Anreise aus den Ländern, in denen die Zielgruppe für solche Urlaubsauswüchse wohnt, verursacht viele Tonnen CO2 – lassen die Hobbybergsteiger dann auch noch ihren ganzen Müll auf dem Berg zurück. Neben dem Ozean sind die Berge mit die größten Müllkippen der Welt.

Obwohl, eigentlich ist die halbe Welt eine einzige Müllkippe: Berge von Abfällen in Indiens Slums, in denen sogar Menschen wohnen, Flüsse, die so vergiftet sind, dass in ihnen kein Fitzelchen Leben mehr ist, Müllinseln in jedem der Weltmeere, verdreckte Strände in den Südseeparadiesen, Elektroschrott in Afrika. (Den die Afrikaner dann am offenen Feuer verbrennen, um das Plastik zu schmelzen, um an die enthaltenen Rohstoffe zu kommen.)

Wusstest Du, dass in der Atacama-Wüste in Chile unvorstellbare Mengen an Fast Fashion, also aus der Mode gekommene Klamotten, aufgeschüttet werden? Ist echt so. Man kann es kaum glauben, was Menschen alles machen. Nur, weil sie es können. Nur, weil es Profit bringt.

Nur, weil es nicht verboten ist.

Das sind die Flegeljahre der Menschheit. Die Menschen stolpern und tapsen latschen durch dieses Leben wie kleine Kinder in der Trotzphase.

So, wie ein Kleinkind den Teller vom Tisch schubst, um zu sehen, was passiert, verklappen Menschen Gift ins Meer und bauen Weltraumraketen, die mit fossilen Brennstoffen angetrieben werden.

Wir bauen Waffen und künstliche Intelligenzen, Rennwagen und Hochgeschwindigkeits-Internetleitungen, Atomkraftwerke und Massentierhaltungs-Ställe für 10.000 Kühe. Weil der Kunde eben immer und zu jeder Zeit Unmengen an Milchprodukten in sich hineinstopfen möchte. Und das zu supergünstigen Preisen. Und weil es eben MÖGLICH ist, befriedigt irgendein Markt die jeweiligen Bedürfnisse der Konsument*innen.

Und die stopfen einfach alles in sich hinein – unbewusst, maßlos, einfach, weil sie es können. Weil sie die Möglichkeit dazu haben. Weil sie einfach nur mal schnell zum nächsten amerikanischen Drive-In fahren, um sich die perfekte Mischung aus Zucker, Fett und Kolehydraten in Form von Pommes und Burgern reinzuziehen.

Es scheint, als hätten wir jedes Maß und Ziel verloren. Wir führen uns auf wie ein zweijähriges Kind, das für 10 Minuten unbeobachtet ist, und in der Zeit nicht nur so viel Nutella isst, dass ihm tagelang davon schlecht ist, sondern auch noch den weit größeren Teil des Glases auf der Couch und im gesamten Zimmer verteilt. Und danach noch das Marmeladenglas. Und danach noch das Päckchen Mehl. Und wenn nicht ein vollkommen entsetztes Elternteil in den Raum kommen würde, würde das Kind weitermachen. Von Filzstift bis Wachsmalkreide, von Bügeleisen bis zu scharfen Küchenmessern wäre nichts vor ihm sicher.

Die Menschheit ist, wenn man so will, ein Kind ohne schützende Eltern. Ein Menschenkind ohne Eltern ist verloren – das Menschheitskind hoffentlich nicht. Wir müssen ohne mahnende Worte einer übergeordneten Autorität auskommen, uns selbst finden, uns eigene Regeln aufstellen, die uns davor bewahren, uns umzubringen.

Es gäbe ja viele mahnende Stimmen, die werden aber höchstens so ernst genommen, wie der Klassenstreber, der die Klasse in Abwesenheit des Lehrers zum Stillsein auffordert.

Es bleibt nur zu hoffen, dass wir als Menschen die diversen aktuellen Krisen ernst nehmen, und anfangen, umzudenken. Anstatt sich die Welt untertan zu machen, lieber in friedlicher Co-Existenz leben, statt Profit um jeden Preis lieber Gemeinwohl und Nachhaltigkeit.

Es ist noch nicht zu spät.

Da wir eben keine Menschheits-Eltern haben, die uns zur Vernunft mahnen, müssen wir das selber hinbekommen. Also alle unter uns, die über das Kleinkind-Stadium möglicherweise schon ein klitzekleines Bisschen hinausgewachsen sind. Alle, die schon mal drüber nachgedacht haben, dass es gar nicht so gesund ist, wirklich alles auszuprobieren, was möglich ist. Die, die wissen, dass es an der Zeit ist, in Kreisläufen zu denken, und dass jede Handlung Konsequenzen hat.

So weit denkt die Mehrheit allerdings noch nicht. Vielleicht wäre das ja etwas, das wirklich jeder und jede zu einem Bewusstseinswandel beitragen könnte: Das eigene Umfeld immer mal wieder freundlich daran zu erinnern, dass es sich lohnt, mal ein paar Schritte vor zu denken. Und dann verzichtet der Eine oder die Andere vielleicht auf das nächste topmodische Shirt, für dessen Produktion der nächste Fluss vergiftet, und die nächste Schlucht in der Atacama-Wüste mit Stoffabfällen zugeschüttet wird.

Je mehr wir sind, desto besser.

Und: Optimismus und Nachhaltigkeit wirken ansteckend. Sei viral. Und hilf mit, die Welt zu retten.

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