Das Buch „Rich Dad Poor Dad“ von Robert Kiyosaki ist ein Spiegel-Beststeller und seit Jahren ein Verkaufs-Hit. Da sehe ich grade: Wenn man das Wort Verkaufs-Hit zusammenschreibt, kommt Verkaufshit raus… Lustig.
Jedenfalls ist das Buch ein echter Longseller, und es ist mir schon so oft untergekommen, dass ich jetzt zugestimmt hab, als ein Freund jemanden gesucht hat, mit dem er es durcharbeiten kann. Es ist auch zum Durcharbeiten gedacht, am Ende jeder Lektion ist Platz für eigene Notizen, und jedes Kapitel wird zum Abschluss noch einmal zusammengefasst.
Die Zusammenfassung bräuchte es jetzt meiner Ansicht nach überhaupt nicht – ich würde meinen, dass ein durchschnittliches Lesergedächtnis zumindest für immer ein einzelnes Buch am Stück reicht. Auf jeden Fall verstärkt das den Arbeitsbuch-Charakter. (Und macht das Buch ja auch ein bisschen dicker und erzielt somit vielleicht einen höheren Preis – die Theorie würde zumindest zum Thema des Buches gut passen.)
Robert Kiyosaki erzählt in dem Buch, wie er als Kind vom Vater seines besten Freundes den „richtigen“ Umgang mit Geld gelernt, und dadurch wohl ein großes Vermögen gemacht hat.
Ja. Ich kann mir schon vorstellen, warum sich dieses Buch so gut verkauft. Erstens, weil es wirklich easy zu lesen ist. Viele wörtliche Reden, kurze Sätze, einfach Wortwahl. Immerhin erklärt ja ein Erwachsener einem Kind die Finanzwelt. Obwohl es eigentlich nicht die Finanzwelt ist, die er erklärt, sondern Unternehmertum. Zumindest im ersten Kapitel, weiter bin ich ja noch nicht.
Was mich unendlich genervt hat beim Lesen ist die Darstellung des Steuersystems. Absolut uneingeschränkt werden Steuerzahlungen als etwas Schlechtes dargestellt, und Menschen, die Steuern vermeiden, als nachahmenswert. Was für eine schwachsinnige Darstellung. Was für eine schwachsinnige Denkweise. Sorry, aber ich kann es nicht anders sagen. An dieser Stelle möchte ich unbedingt ein Video von extra3 verlinken. Das zeigt nämlich meine Meinung dazu auf viel bessere Weise, als ich es jemals nur mit Worten beschreiben könnte:
Bund der Steuersparer: Ein Arsch voll Tochterunternehmen | extra 3 | NDR – YouTube
Es wird auch nie über Menschen mit Behinderung gesprochen, oder über andere soziale Aspekte. Klar, wenn Du schlau bist, und leistungsfähig, wenn Deine Fähigkeiten genau denen entsprechen, die eine kapitalistische Gesellschaft fördert, dann steht Deinem Erfolg nichts im Wege. Es ist zum Beispiel erwiesenermaßen als weißer Mann wesentlich einfacher, Erfolg zu haben. Wenn man jetzt das Pech hat, als Mädchen in diese Welt geboren zu werden, schaut es schon schlechter aus. Mit einer körperlichen Behinderung, der falschen Hautfarbe, oder dem falschen Bildungshintergrund der Eltern, wird es noch schwerer. Mit einer Erkrankung oder geistigen Behinderung geht dieses Modell dann gar nicht mehr auf. Nach der Darstellung im Buch ist Ausbeutung der Mitarbeiter:innen auch ein vollkommen probates Mittel – immerhin haben die Leute es sich so ausgesucht, und gehören einfach nicht zu der Elite, die „ihr Gehirn benützen und damit reich werden kann.“
In dem Buch eröffnen die beiden Jungs ein Mal eine Bibliothek im Keller einer der beiden Familien. Sie nehmen Geld dafür, dass sie die anderen Kinder Comics lesen lassen. Sie haben auch im zarten Altern von 9 Jahren bereits eine Angestellte: Die Schwester übernimmt die Kasse am Eingang des Bibliotheks-Zimmers. Natürlich ein Mädchen. Stellen wir uns ganz kurz mal zum Realitätscheck vor, eine 10Jährige beschließt, im Keller gegen Geld eine Comic-Bibliothek zu eröffnen. Wo dann alle Jungs aus der Nachbarschaft vorbeikommen. Könnt Ihr auch schon den Satz „Sowas macht ein Mädchen nicht!“ in Euren Ohren klingeln hören?
Wir lernen daraus: Ja, wenn Du die richtigen Voraussetzungen hast, kann man schon Unternehmertum anstreben. Aber ganz bestimmt nicht jeder, und erst recht nicht jede kann das schaffen. Es ist eben multifaktoriell.
Und: Nein, Steuernsparen bis an den Rande der Legalität ist gar nicht cool. Es ist kein Sport, es ist keine Heldentat. Es ist einfach nur ein Zeichen eines miesen Charakters.
Ich hab mal eine Geschichte gehört, die genau das Gegenteil von der oben beschriebenen Steuersparer-Einstellung erzählt. Dabei geht es um einen Afrikaner, der ganz begeistert erzählt, dass er einen Steuerbescheid bekommen hat. So stolz wäre er noch nie gewesen, weil nur Menschen, die Geld haben, Steuern zahlen würden. Und jetzt könnte er auch endlich seinen Beitrag zur Allgemeinheit leisten.
Es gibt eben Altruisten und Egoisten. Und es gibt in beiden Gruppen reiche und arme Menschen. Kapitalismus begünstigt im Moment sehr den Egoismus. Aber wir wissen ja alle, dass nichts für immer bleibt, und sich Geldsysteme, Staatsgrenzen, oder kulturelle Hintergründe ganz schnell ändern können. Irgendwann wird der Kapitalismus Geschichte sein.
Und was bleibt einem Egoisten, einer Egoistin dann noch, wenn er oder sie nichts hatte außer Geld? Stimmt. Nix. Wer nichts will außer Geld, der bekommt auch nichts außer Geld. Eine der wenigen Wahrheiten aus diesem ersten Kapitel.
Für mich stellt sich Abseits der Frage nach Reichsein eine ganz andere, viel wichtigere Frage. Wozu? Egal, was Du jeden Tag so machst, frag Dich lieber: Wozu? Statt: Was bringt es mir an Geld?
Geld ist nur ein Transportmittel. Eines von vielen. Mit Geld kann man viele gute Dinge tun. Oder auch schlechte. Das, was die kapitalistische Welt in dieser, ich nenne sie jetzt einfach mal „Endphase“, der Erde antut, ist schlecht. Einem Menschen Bildung zu ermöglichen, ist gut.
Hedgefondsmanager sind schlecht. Kinderkrankenhäuser sind etwas Gutes. Also, nicht alles, was in den Krankenhäusern geschieht, aber die Tatsache, dass es sie gibt, ist etwas durch und durch Gutes.
Ein Kinderkrankenhaus wird zum Beispiel größtenteils durch Steuern bezahlt. Ist das gut, wenn weniger Geld in solche Einrichtungen fließt? Klar, sie könnten ja dann auch privat finanziert werden, aber ist dann wirklich die Behandlung jedes kleinen Menschen möglich? Was ist, wenn das Kind einer unerwünschten Religion oder politischen Richtung angehört? Ich kann mir nicht vorstellen, dass sich irgendwer außer Jeff Bezos ein amazon-Kinderkrankenhaus wünscht.
Steuern sind etwas Gutes. Meine Mom, ein echtes Genie im Umgang mit Geld, eine großzügige und bodenständige Köchin, Wirtin, Krankenschwester, Hobbypsychologin, Kindergärtnerin, und was Mamas und Omas eben noch so alles sind, hat sich nie was daraus gemacht, Steuern zu sparen. Sie sagt immer: Wenn man viele Steuern zahlen muss, hat man auch viel verdient. Das ist doch was Schönes!
Das ist ein viel wertvollerer Rat als der von Robert Kyiosaki. Meine Mom sollte ein Buch über Geld schreiben. Das wäre zwar wirklich schlecht für die Wirtschaft, weil sie auf eine sehr bescheidene Weise sparsam ist, aber dafür wäre es wirklich gut für die Welt.
Bei mir hat es jedenfalls funktioniert. Das Buch könnte dann zum Beispiel heißen: „Wie man sich über Steuerzahlungen freuen, und dabei reich und glücklich werden kann.“ Bei mir haben ihre Ratschläge jedenfalls gewirkt.
Ob ich selber reich bin? Als Physio und kleines Sternchen am Umwelt-Blogger-Himmel eher nicht monetär. Aber im Herzen. Und es reicht auf jeden Fall für Bio-Essen und Fairtrade-Klamotten. Außerdem hab ich ein Radl, ein kleines Auto, meinen Laptop und Internet. Was braucht man schon mehr, um reich zu sein!
Vielleicht noch ein bisschen mehr, um noch ein paar mehr Steuern an das System, das für unsere Bildung und unsere Gesundheit sorgt, zurückzugeben. Einfach aus Dankbarkeit. Und weil man es kann. Und weil es sich gut anfühlt. Und wer fühlt sich nicht gerne großzügig und dankbar!
Dir hat der Beitrag gefallen, Du möchtest etwas Gutes für die Umwelt, die Menschheit, und unseren Traum von einem Mehrgenerationen-Wohnprojekt tun?
Werde Pate oder Patin eines Happyfields. Die gesamten Community freut sich auf Dich.
Einfach Mail an: katrin.zwickl@happyfields.de