Bettina und Marco Rothmayr sind eine wahre Bilderbuchfamilie. Sie kümmern sich um die drei Töchter, Haus, und Hund, und führen den Betrieb, den sie von Bettinas Eltern übernommen haben, auf vorbildliche Weise.
Marco ist ein Landwirt durch und durch, er hat ein riesiges Fachwissen gepaart mit einem intensiven Verständnis für Kreislaufwirtschaft und der Offenheit für neue Technologien.
„Ich schau ja nicht nur aus Umweltschutzgründen auf die Umwelt,“ sagt Marco, „das kostet ja auch alles Geld. Eine umweltfreundliche Landwirtschaft ist auch finanziell rentabler.“ Und er lässt keinen Zweifel daran, dass sich Nachhaltigkeit und Wirtschaftlichkeit entgegen der oft geäußerten Meinung optimal vereinbaren lassen.
Vor allem Marco kümmert sich um die Landwirtschaft und das Geschäft, Bettina managed alles drumherum und hält ihrem Mann den Rücken frei. Sie ist beliebt im Dorf, engagiert sich im Frauenbund, und hat neben der Arbeit in Haus und Hof auch noch eine Praxis als Heilpraktikerin für Psychotherapie.
Wenn man bei den beiden zum Kaffee sitzt, fühlt man sich sofort eingehüllt von Familienharmonie. Warum ich bei Ihnen am Kaffeetisch Platz nehmen durfte?
Marco hat ein Schreiben vom Wasserwirtschaftsamt Deggendorf bekommen, in dem sie darauf hingewiesen werden, dass „demnächst“, also ohne bestimmte Zeitangabe, die Bewässerung von landwirtschaftlichen Ackerflächen eingeschränkt, oder sogar verboten werden wird.
Man kann über die Nachhaltigkeit in der konventionellen Landwirtschaft denken, was man will, und natürlich müssen in Zeiten knapper werdender Ressourcen, zu denen ja inzwischen auch das Wasser gehört, neue Regelungen und Gesetze her, aber was hier passiert, kann auch nicht die Lösung unserer Wasser-Probleme sein.
Es geht ja schon damit los, dass im Ankündigungs-Schreiben kein Zeitpunkt genannt wird, an dem die neuen Regelungen in Kraft treten. Das hat zur Folge, dass den Betrieben jegliche Planungssicherheit genommen wird.
„Wie soll ich denn Saatgut bestellen, wenn ich überhaupt nicht weiß, ob ich nächstes Jahr unsere Zwiebeln überhaupt anbauen kann? Die Zwiebeln sind im Juli erntereif. Wenn es im Mai sehr trocken wird, und ich nicht bewässern kann, fällt womöglich die gesamte Ernte aus, und wir bleiben auf den gesamten Kosten für Saatgut und Anbau sitzen. Das ist existenzgefährdend. Und so geht es ja nicht nur uns, so geht es ja allen Landwirtschaften, vor allem den Obst- und Gemüsebauern. Ein befreundeter Landwirt, den Du auch kennst, ist schon seit Jahren in der prekären Situation, dass er einen Bewässerungsantrag gestellt hat. Den hat er nicht genehmigt bekommen, sondern den freundlichen Hinweis, er soll einfach auf Brunnensysteme zurückgreifen, und nicht auf Trinkwasser aus dem Hydranten. Also hat er mit amtlicher Genehmigung für richtig viel Geld einen Brunnen gebaut. Jetzt hat er einen Brunnen, bekommt aber keine Genehmigung zur Wasserentnahme, und wird von einer Stelle zur nächsten geschickt. Jede Behörde zieht sich so aus der Verantwortung, indem sie immer wieder verlauten lässt, sie wäre nicht zuständig. Es ist zum Verrücktwerden! Weißt Du, eigentlich ist Beregnen ja gut, das sagen auch alle Wasserer, die ich kenne. Zumindest, wenn man es mit Augenmaß betreibt. Ich beregne unsere Zwiebeln maximal drei Mal pro Saison. Und das auch immer nur in der Nacht – und sobald es über 20 Grad hat, schalte ich das Wasser eh ab, weil zu viel verdunstet. Auch hier ist es ja so, dass das Wasser Geld kostet, also gehe ich da schon aus wirtschaftlichen Gründen sparsam damit um. Aber der Boden braucht die Beregnung! Wir düngen, was wir ja müssen, weil die Pflanzen den Dünger brauchen, der ist ihre Nahrung. Wenn ich nicht beregne, bleibt der Dünger am trockenen Feld liegen, und geht nicht in die Erde. Wenn es dann regnet, ist der Boden zu trocken, um das Wasser aufzunehmen, und wird unverbraucht abgeschwemmt in die Gewässer oder die Kanalisation. Wenn wir beregnen, geht der Stickstoff in den Boden und kann da von den Pflanzen aufgenommen werden. Beregnung, und ich sage ganz bewusst mit Maß und Ziel, ist auch von Vorteil für die Wasserqualität. Natürlich bringt das überhaupt nichts, wenn ich bei 30 Grad und mehr tagsüber die Sprinkler laufen lasse – da verdunstet das Wasser natürlich, bevor es auf den Boden aufkommt. Aber ich mache das zum Beispiel appgesteuert, und eben nur in der Nacht. Und auch nur drei Mal im Jahr – das kann doch nicht sein, dass uns das jetzt dann verboten wird! Ohne Zeitrahmen, ohne Planungssicherheit, ohne echte Begründung!“
Ich höre ihm gebannt zu, und merke, wie ich eine ganz schöne Wut bekomme. Marco zeigt mir seine Nitratwerte auf seinen Feldern, und man kann da schwarz auf weiß lesen, dass sein Betrieb Vorbildcharakter hat. Wieso schert man da alle über einen Kamm?
Und ich tu mich sehr schwer mit dem Gedanken, dass Privatleute ihre Pools befüllen, den Rasen sprengen, und ihre Autos waschen dürfen, aber den Landwirten, die ja wirklich für unser Essen auf dem Tisch sorgen, der Hahn generell abgedreht wird.
„Du produzierst ja auch wirklich ganz regional, stimmt`s?“, frage ich nach. „Das ist doch eigentlich das, nach dem jetzt alle schreien, regionales Essen ohne weite Transportwege. Das kann doch nicht sein, dass die Leute Obst und Gemüse aus anderen Ländern kaufen können, das in wirklich trockenen Gebieten angebaut wird, und ein Landwirt hierzulande seiner Existenz beraubt wird?!“ Die Welt ist wirklich ein Irrenhaus.
„Das stimmt. Und wir tun ja, was wir können. Alle Kollegen, die ich kenne, versuchen alles, um die Umwelt zu schützen, um den Boden zu schützen. Das ist ja unsere Lebensgrundlage. Ich fahre im Sommer zum Teil um 10 Uhr abends raus, um das Wasser aufzudrehen, nur um die Verdunstung so gering wie möglich zu halten. Sicher, es gibt auch Andere, aber das ändert sich doch auch gerade. Die Jungen, die nachkommen, sind wirklich kooperativ und lösungsorientiert. Einer meiner Kollegen hat es mal versucht mit Tröpfchenberegnung. Aber das ist echt krass: Die Leitungen dafür sind aus Plastik. Die müssen dann bodennah verlegt, und vor der Ernte entfernt werden. Kannst Du Dir vorstellen, welche Unmengen an Plastikmüll da entstehen? Das kann es ja auch nicht sein. Das ist doch nicht nachhaltig! Und das nächste: Grade Zwiebeln sind ja keine bodendeckende Frucht. Da verdunstet das Wasser eh schneller. Deshalb hacke ich zusätzlich nach dem Beregnen den Boden, um die Verdunstung so weit es geht zu verhindern. Das sind halt so Feinheiten, die keiner weiß.“
Wir stellen fest: Alle über einen Kamm scheren funktioniert in der diffizilen modernen Landwirtschaft überhaupt nicht. Und nochmal: Wieso darf ein Golfplatz seine Rasenflächen bewässern, aber ein Landwirt das Essen, das wir essen, nicht?
„Der nächste Punkt, den ich unbedingt ansprechen will, ist der Pestizideinsatz. Auch das ist ja ein entscheidender Aspekt, wenn es um Umwelt- und Wasserschutz geht.“ Marco spricht engagiert, und mit großem Nachdruck. Er will, dass die Leute ihn verstehen, er will wirklich im Einklang mit der Natur leben, und einfach nur Landwirt sein, und die Verbraucher:innen in der Region mit seinen (wirklich superguten) Zwiebeln versorgen. „Ich bin keiner, der mit extremen Mitteln Höchsterträge erzielen will. Ich bin kein großer Freund von Pestiziden. Wenn es mit weniger Pflanzenschutzmittel geht, dann mach ich das. Auch hier geht es mir nicht nur um Umweltschutz, sondern auch das kostet ja alles Geld. Wir arbeiten inzwischen seit fünf Jahren mit Bioaktiv. Das kostet fast gar nichts, und ist unglaublich sparsam in der Anwendung. Für einen Hektar brauche ich ungefähr zwei kg davon, das kostet ca. 20 Euro. Das ist entweder Bittersalz, oder eine Flüssigkeit mit ätherischen Ölen. Das kann man einfach zum Spritzmittel hinzufügen, ich muss also nicht mal extra rausfahren, um es auszubringen, und das schützt Boden und Blätter so effektiv, dass die Intervalle deutlich verlängert werden können.
Wir setzen außerdem auch vermehrt auf natürliche Schädlingsbekämpfung, wie zum Beispiel Marienkäfer bei den Zuckerrüben. Da fahr ich wirklich auf das Feld raus und schau, ob genügend Marienkäfer und Larven auf den Blättern sitzen. Wenn das der Fall ist, kann ich beruhigt wieder heimfahren, weil ich weiß, dass Blattläuse dann keine Chance haben. Überhaupt fahren wir einfach oft auf die Felder und schauen nach dem Rechten. Die Leute denken dann vielleicht: Das sind doch nur Pflanzen, die wachsen doch von selber, warum fährt der so oft raus? Aber man muss da einfach immer ein Auge drauf haben, Veränderungen frühzeitig erkennen, damit man frühzeitig reagieren kann.
Und ich möchte wirklich sagen, dass ich ALLES tue, was in meiner Macht steht. Wir bauen Zwischenfrucht an, hacken den Boden, investieren in alternative Anwendungsformen, stehen früh auf und arbeiten lang für verhältnismäßig wenig Geld. Und Lidl und Aldi verkaufen unsere Zwiebeln dann in winzige Säckchen verpackt, die auch wieder aus Plastik sind, für das Vierfache. Mindestens. Und dann werden wir Landwirte mit allen Mitteln daran gehindert, unserer Arbeit nachzugehen, indem wir verboten bekommen, drei Mal pro Saison zu beregnen! Das kann es doch nicht sein!“
Ja, das kann es wirklich nicht sein. Der Eindruck drängt sich auf, dass in den Behörden lauter Menschen sitzen, die von der Praxis keinen blassen Schimmer haben. (Und das ist nicht nur in der Landwirtschaft so – schaut Euch nur mal in der Welt um, liebe Leserinnen und Leser! Das gleiche Muster kann man im Gesundheitssystem oder zum Beispiel im Schulsystem beobachten. Die Entscheider*innen sind fast überall Leute, die noch nie einen landwirtschaftlichen Acker, ein Altenheim, oder eine Grundschule betreten haben.
Wollen wir denn wirklich in einer Welt der Gleichmacherei leben, in einer, in der Golfplatzbetreibern ein Pfund Zucker, beziehungsweise kubikmeterweise Wasser in den Allerwertesten gepumpt wird, und den Landwirten und Landwirtinnen der Hahn von heute auf morgen abgedreht wird?
Ein erster großer Schritt zur Lösung ist Wissen und Bewusstsein. Denn nur, wer seine Feinde kennt, kann gut kämpfen. Der nächste Schritt ist, darüber zu sprechen. Mit Freund*innen und Aktivist*innen, mit Politiker*innen und Entscheidungsträger*innen.
Denn nur so kann sich auf Dauer wirklich etwas ändern – indem wir unser Wissen weitertragen. Und vielleicht kennt ja jemand jemanden, der beim Wasserwirtschaftsamt arbeitet, oder einen engagierten Juristen, oder oder oder. Marco und seine Kollegen und Kolleginnen brauchen ganz dringend so viel Unterstützung wie möglich! Hier stehen Existenzen auf dem Spiel, und wir wollen, dass auch der Letzte kapiert, dass die allermeisten Landwirte ihr Bestes geben. Landwirtschaft und Umweltschutz müssen keine Gegensätze sein – das beweisen der Marco Rothmayr und seine Bettina jeden Tag eindrucksvoll!
Liebe Bettina,
lieber Marco,
Danke für die schöne Zeit mit Euch, auch, wenn der Anlass unseres Treffens eigentlich ein recht unschöner war.
Ganz herzliche Grüße,
Eure Katrin